Seite:Ossendowski - Schatten des dunklen Ostens.djvu/41

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Ferdynand Antoni Ossendowski: Schatten des dunklen Ostens

Die Hexen Rußlands gehören der sonderbarsten, geheimnisvollsten, aber auch zugleich geringsten der mystischen Kasten an.

Eine Hexe wird zu ihrem dämonischen Beruf schon von Kind auf erzogen.

Der Mangel der heiligen Taufe ist eine für die Meisterin unbedingte Notwendigkeit, ohne diese Bedingung findet keines der Menschenkinder Aufnahme in der Teufelsschule.

Die alten Hexen suchen sich ihre Schülerinnen meist selbst. Irgend ein geschenktes oder gestohlenes, kaum geborenes Kindlein wird in ihren Unterschlupf, eine verfallene Hütte oder Waldhöhle, verschleppt, wo es großgezogen wird, ohne nur eines Menschen recht ansichtig zu werden.

Jeder Verkehr ist dem armen, gefangenen Kinde bei den furchtbarsten Strafen untersagt.

In so erdrückender Abgeschiedenheit werden ihm Beschwörungen und magische Formeln aller Art gelehrt, alle Gräser, Pflanzen und deren geheimnisvolle Kräfte lernt es kennen und es wird auch fortwährend in einem unaufhörlichen Zustand des Grauens und der Nervosität von seiner Hexenmeisterin gehalten.

Schwere Neurasthenie, ja Epilepsie sind die unausbleiblichen Begleiterscheinungen dieser Erziehung.

Vierzehn Jahre alt, wird das Kind dem Teufel vermählt und so zur Hexe geweiht.

In weißes, festliches Leinen geschmückt, mit einem Kranz aus Wasserlilien im Haar und die Stirne mit Beelzebubs magischen Zeichen bemalt, wird sie von der Hexenmeisterin an einen nur dieser bekannten Ort geführt, irgendwohin, in das dichte Röhricht eines Seeufers,

Empfohlene Zitierweise:
Ferdynand Antoni Ossendowski: Schatten des dunklen Ostens. Eurasia, Wien 1924, Seite 37. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ossendowski_-_Schatten_des_dunklen_Ostens.djvu/41&oldid=- (Version vom 15.9.2022)