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Ferdynand Antoni Ossendowski: Schatten des dunklen Ostens

gar aufmerksam an, hebt es ganz nah zu seinem Mund und flüstert ihm etwas zu, wobei das Wort „Ig“ öfters zu hören ist.

Nach einigen Minuten der Beschwörung nimmt er aus seiner Tasche ein Stück Kreide, macht auf dem Rücken des Küchenschwaben ein Zeichen und läßt ihn los.

Das Tier verschwindet im Nu in den Ritzen der Kredenz.

Der Zauberer empfängt einen Silberrubel als Honorar.

Am Tage darauf weiß mir mein Schüler mitzuteilen, daß die Köchin hoch und heilig schwört, der vom Zauberer gezeichnete Schwabe hat aus allen Ritzen und Winkeln seine Sippschaft in großen Mengen gesammelt und ist mit ihr aus dem Palais Leuchtenberg in die weite Welt ausgewandert.

Sie hat geschworen, daß sie es mit ihren eigenen Augen gesehen.


Der Teufel in der Badestube.

Als ich im Jahre 1920 durch Sibirien wanderte, war ich genötigt, in einem kleinen Dorfe zu übernachten. Von einem langen Ritt ermüdet, vom Kopf bis zu den Füßen verstaubt, erbat ich mir von meinem Wirt als erstes die Benützung der Badestube.

„Frau“, bemerkte der Wirt, „laß aber unseren Gast nicht allein in die Badestube gehen. Ich schicke um Maxim, damit er unseren Gast begleitet“.

„Ich brauche wirklich keine Hilfe“, protestierte ich lebhaft.

„Herr, es geht wirklich nicht, es kann Ihnen etwas Böses ohne unseren Zauberer zustoßen“, sagt der Wirt mit ernster Stimme.

„Warum?“ ist meine erstaunte Frage.

„Ja, Sie müssen wissen, Herr, daß in unserer Badestube der Teufel seinen Wohnsitz hat“, erklärt der Bauer ernst. „Vorgestern hat er ein altes Mütterchen von der Ofenbank gestoßen, sie stieß dabei an den Kessel mit heißem Wasser, verbrühte sich und starb.“

Man läßt mich keineswegs allein nach der Badestube, ich muß auf Maxim warten, einen riesigen Bauer mit zerwühlten grauen Haaren und einem weißen Patriarchenbart.

Vor der Badestube, die am Rande eines Gemüsegartens gelegen, bleibt Maxim stehen und ruft:

„Teufel, — schwarzer Teufel, — groß oder klein, — traurig oder lustig, — da bin ich, — da bin ich.“

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Ferdynand Antoni Ossendowski: Schatten des dunklen Ostens. Eurasia, Wien 1924, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ossendowski_-_Schatten_des_dunklen_Ostens.djvu/22&oldid=- (Version vom 15.9.2022)