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Ferdynand Antoni Ossendowski: Schatten des dunklen Ostens

Bischöfe und alle Prioren der Klöster gezittert. Er wußte die orthodoxe Kirche zu einer Kanzlei der Geheimpolizei zu verwandeln, dadurch den Einfluß der Kirche in Rußland zu vernichten und den Zorn des Volkes gegen Kirche und Geistlichkeit zu entflammen.

Diesem düsteren, schwarzen Großinquisitor steht die andere furchtbare Gestalt des Generals Kurlow, des Chefs des Gendarmeriekorps und Vizeministers des Innern würdig zur Seite. Er war Oberhaupt der politischen Geheimpolizei, der berüchtigten „Ochrana“.

Die Bestechungen revolutionärer Parteimänner, die gemeinsten Pressionen auf Persönlichkeiten, die den liberalen Strömungen huldigten, die Torturen für politische Häftlinge, die Pogromorganisationen gegen Polen, Letten, Finnen und Juden, die abertausend Todesurteile, die Spionagen aller Art, die Knebelung der Presse usw. usw., das waren alles die Heldentaten dieses Generals Kurlow.

Er schien unsterblich zu sein. Keine Veränderung in den Ministerien und in den inneren politischen Richtungen konnten Kurlow etwas anhaben, da er immer an der Spitze des Gendarmeriekorps stand, das die größte Macht in Rußland war und jeden beliebigen Minister zu stürzen vermochte.

In der Kanzlei der „Ochrana“ befand sich eine spezielle Abteilung für genaue Kontrolle über Worte und Taten der Minister und anderer Würdenträger, ja die Großfürsten sogar blieben von dieser Aufsicht nicht verschont. Die Ungnade, der die Familie des berühmten Dichters und Präsidenten der Akademie der Wissenschaften, des Großfürsten Konstantin Konstantinowitsch, verfiel, war ebenso das Werk von Kurlow und seiner Geheimpolizei wie der Sturz des berühmten Großfürsten Nikolaj Michajlowitsch.

Kurlow brachte es zuwege, die revolutionären Gruppen und Organisationen mit Hilfe der durch ihn bestochenen Spitzel auseinanderzureißen und ihrer Geheimdokumente Herr zu werden. Von diesem Augenblicke an waren die gedungenen Spitzel Spielpuppen in seinen Händen, die sich als Verräter von ihm nimmermehr befreien konnten. Ein solcher Verräter wurde mit jedem Jahre zu immer größeren Verbrechen gezwungen, da er wußte, daß, falls sein Verrat seiner Partei zu Ohren kommen sollte, er unausbleiblich durch das revolutionäre Gericht dem Tode verfiele.

Lopuchin, Direktor des Polizeidepartements, versuchte einigemale Kurlow zu überzeugen, daß diese provokatorische Politik zum Verderben

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Ferdynand Antoni Ossendowski: Schatten des dunklen Ostens. Eurasia, Wien 1924, Seite 152. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ossendowski_-_Schatten_des_dunklen_Ostens.djvu/156&oldid=- (Version vom 15.9.2022)