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Ferdynand Antoni Ossendowski: Schatten des dunklen Ostens

„Meide eine kleine Straße, in der ein rotes Haus mit zwei Türmen steht. Denke daran und verlasse mich.“

Ob mein Freund Ismajlow die Warnung Rasputins befolgt, weiß ich nicht, denn die blutigen Wirren haben uns auseinandergerissen und einen Nachrichtenverkehr unmöglich gemacht.

Auch Alfred Rodé, der Besitzer der berühmten „Villa Rodé“, und einige Leibgardeoffiziere wußten viel über Rasputin, im besonderen über seine berühmt gewordenen Orgien zu erzählen.

Seine Zügellosigkeit, sein Zynismus und seine Roheit grenzten an das Unglaubliche.

Nicht selten beleidigte er seine Zechkumpane, sie arg verhöhnend und erniedrigend.

Einmal, seine nahe Beziehung zum Kaiserhause rühmend, zeigte er auf sein gestricktes Seidenhemd und rief lachend:

„Das hat Saschka gestrickt.“

Es entstand ein fürchterlicher Skandal. Ein Gardeoffizier schlug auf Rasputin los und es entbrannte ein Kampf, in dem der Offizier „den Mann Gottes“ am Kopf mit einer Weinflasche verwundete.

Die Villa Rodé war nicht nur Zeuge der wüstesten Orgien, die Rasputin hier mit Mädchen und Frauen feierte, sie war auch der Ort geheimster politischer Anschläge und Verschwörungen.

Wie die Geheimnisse des spanischen Hofes muteten Rasputins Umtriebe an, nur daß hier das Jahrhundert ein späteres war und daß der Held dieses Hofes ein gewöhnlicher Schwindler und Pferdedieb gewesen.

Rasputin war von allen gegen ihn gerichteten Anschlägen wohl informiert.

Er hatte auch manchen davon überleben können, war aber immer von der Vorahnung befangen, unnatürlich zu enden.

Vor dem Tode hatte er Furcht und Grauen, obgleich er mit der Todesmystik immer seinen Unfug trieb.

Am Krankenlager der Zarin rief er einmal begeistert und beschwörend aus:

„Kein Haar wird Euch vom Kopfe fallen, so lange meine Bilder und Kleider, von meinem Leib getragen, in Eurem Besitze. Denket daran!“

Und die Zarin glaubte daran, ließ sich sieben Bilder Rasputins

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Ferdynand Antoni Ossendowski: Schatten des dunklen Ostens. Eurasia, Wien 1924, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ossendowski_-_Schatten_des_dunklen_Ostens.djvu/137&oldid=- (Version vom 15.9.2022)