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Ferdynand Antoni Ossendowski: Schatten des dunklen Ostens

Der Schnitt seines Mantels war aber von einer Eigenart, die an die Kutte eines Mönches gemahnte.

Meine Verwunderung über des Mannes Eigentümlichkeit stieg, als ich bei einem Auseinanderschlagen des Pelzes bemerkte, daß er unter diesem ein gewöhnliches russisches Seidenhemd trug und daß seine Beine in hohen Juchtenstiefeln steckten. Wider meinen Willen fühlte ich mich gezwungen, in das Auge des Fremden zu sehen und da sah ich mit Schaudern, daß diese bezwingenden Augen leuchtenden Strahlen gewichen waren.

Diese Strahlen kreuzten in seinem Gesicht, sich unheimlich auswirkend.

Langsam wurden nach einer Weile wieder Gesicht und Augen des Fremden für mich sichtbar und lächelten mich so spöttisch und verachtend an, daß mir vor Ärger das Blut in den Kopf stieg.

Es kam mir zum Bewußtsein, daß ich hypnotisiert war.

Ich bemühte mich daher, seinem Blick auszuweichen.

Beim Aussteigen mußte ich an ihm vorbei.

Er berührte mich leicht mit seiner Hand und redete mich an:

„Ich weiß, Du bist ein Gelehrter, ich erkenne es. Warum wehrst Du Dich gegen mich, den Mann Gottes, gegen mich, Gregor Rasputin?“

Das war meine erste Begegnung mit Rasputin.

Die zweite war eine solche mystischen Charakters.

In der Petersburger Akademie der Künste wurde eine Bilderausstellung eröffnet.

Ganze Scharen von Besuchern stauten sich vor dem Bild eines in England lebenden russischen Malers, Nikolai Rajewski.

Das noch unfertige Porträt stellte einen hohen, mageren Menschen in schwarzem, mönchhaftem Kittel dar.

Schwarzes, auf die Stirne fallendes Haar und ein ebensolcher verwirrter Bart rahmten ein trockenes, abgehärmtes Antlitz ein.

Im Katalog hieß es:

Bild 114 … Das Porträt eines Unbekannten.

Nicht Haar, nicht Tracht und Antlitz waren es, die den Eindruck des Bildes ausmachten.

Einzig der tiefe, durchdringende Blick des Bildes war es, der alle an sich zog, wie das Auge eines Raubtieres, auf den Angriff lauernd, leuchtete er aus der Bleiche des Gesichtes in die Menge, die staunend herumstand.

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Ferdynand Antoni Ossendowski: Schatten des dunklen Ostens. Eurasia, Wien 1924, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ossendowski_-_Schatten_des_dunklen_Ostens.djvu/133&oldid=- (Version vom 15.9.2022)