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Ferdynand Antoni Ossendowski: Schatten des dunklen Ostens

Auf dem Bering-Meere wiederum pflegte diese Bande plötzlich die illegalen Kolonisten aus Japan und Alaska, welche einen Tauschhandel mit den Eingeborenen aus Kamtschatka, Anadyr und der Tschuktschen-Halbinsel führten, anzufallen und zu töten.

Am Grunde dieser Meere liegen unzählige Opfer dieser räuberischen Piraten. Nach der Vernichtung der Fremdlinge gingen die Streifzüge in das innere Land, wo sie den herumirrenden Mongolen Gold, Edelsteine, Pelzwerke und alles, was einen Wert besaß, abnahmen.

In einer kleinen Bucht im Norden von Wladiwostok hatten die Banditen ihr Hauptquartier, da verteilten sie die Beute unter sich und brachten sie neu verpackt nach Wladiwostok zum Verkauf an die fremden Schiffe, mit denen sie in Handelsbeziehungen standen. Die russische Administration wußte von der Tätigkeit dieser Bande, hüllte sich aber in Schweigen, da ihr seitens der Banditen ein großer Teil des Verdienstes überlassen wurde.

Diese Zustände waren allgemein bekannt und es gingen nicht wenig Rapporte und Denunziationen nach Petersburg. Die kompromittierten Beamten wurden zwar ihrer Stellungen beraubt, doch weiter in der Stadt gelassen, wo sie sich für ihr Diebsgeld große Terrains, Häuser und Landgüter ankauften und ein reiches und lustiges Leben zu führen begannen.

Wladiwostok war auch eine zu bequeme Stadt für den mittelalterlichen Unternehmungsgeist solcher Piraten.

Es war eine Grenzstadt mit Kriegscharakter, die Japan trotzte und sich allmählich befestigte. Vor zirka 30-35 Jahren hat eine Reise von Moskau bis nach Wladiwostok, das damals ein vergessenes und hoffnungsloses Nest war, 3 Monate gedauert. So geschah es denn, daß Offiziers- und Beamtenstellungen zumeist von Leuten besetzt wurden, die eine sehr dunkle Vergangenheit und einen unternehmungslustigen Charakter mit einem Stich ins Verbrecherische hatten.

Charakteristisch für dieses Verbrechernest war die Existenz eines Vereines, der „Lancepupen“. Ich kenne die Abstammung dieses Namens nicht, doch der Inhalt und der Zweck dieses Vereines ist mir genau bekannt. Im eigentlichen Sinne des Wortes war es ein Verein von Alkoholikern, deren Mitglieder dem Trunke völlig ergeben waren. Es war ein Klub, der nur fünfzig Mitglieder zählte. Das Trinken wurde hier auf seltsame Weise ausgeübt. Entweder trank man ganz reinen

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Ferdynand Antoni Ossendowski: Schatten des dunklen Ostens. Eurasia, Wien 1924, Seite 114. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ossendowski_-_Schatten_des_dunklen_Ostens.djvu/118&oldid=- (Version vom 15.9.2022)