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mit ihnen schließen solltest, obgleich es dem alten Schmied recht fatal war, daß Du nicht mehr in die Schmiede kamst, sodaß er mich geradezu fragte, ob man Dir denn ein scheeles Wort gesagt oder Dir sonst etwas zu Leide gethan hätte – wäre das, so würde er seine Buben dermaßen karbatschen, daß sie sich's gewiß nie wieder einfallen ließen, sich an Dir zu reiben. Sie hätten es ja verdient gehabt, aber Du wolltest nicht den Angeber spielen, und das hat mir auch wieder von Dir gefallen."

„Ach ja, Du sagtest mir, die Angeber wären in Deinen Augen beinahe die allerschäbigste und allerverächtlichste Sorte Menschen – man nenne sie auch – ja, wie war das nur? – halt, ich hab's – ,Denuncianten‘."

„Nun sieh, Robert – in diesem Falle habe ich Dir also keine Vorstellungen gemacht und nicht verlangt, daß Du versöhnlich sein solltest. Was aber den rothen Christian anbetrifft, so bist Du nicht im Recht, denn er hat nichts gethan, was man nicht vergeben und vergessen könnte. Eine Weile magst Du ja auch um solcher Kleinigkeiten willen trotzen – denn es sind eben doch nur Kindereien – aber die Geschichten sind ja schon alt, so alt, daß Gras darüber gewachsen sein könnte, und der Christian, dem es so leid thut, daß Du nichts mehr von ihm wissen willst, gibt sich ja alle Mühe, sich mit Dir auszusöhnen – da muß man versöhnlich sein und darf seinen Groll nicht hegen und pflegen, als wäre er ein liebenswürdiges und ehrenvolles Gefühl."

Der Kleine war nahe am Weinen; des Onkels ungewohnt ernste und eindringliche Worte machten einen tiefen Eindruck auf ihn, aber es wurde ihm doch sehr schwer, den verlangten Entschluß zu fassen; er hatte sich seit Wochen in den Zorn gegen den einstmaligen Gespielen hineingelebt, und es kam ihm hart an, alle erlittene Unbill vergessen zu sollen. Endlich sagte er aber doch, mit gesenktem Kopf und ziemlich kleinlaut:

„Nun ja, Onkel, recht wirst Du schon haben, und wenn der Christian zu mir kommt und mir ein gut Wort gibt, will ich nicht mehr an seine schlechten Streiche denken und ihm die Hand geben, wenn mir's auch das erste Mal sauer werden wird."

Der Onkel strich sich den schon reichlich mit Grau durchschossenen Schnurbart, hob den Kopf seines Neffen am Kinn in die Höhe und sagte freundlich:

„Siehst Du, daß es Dir gar nicht so ernst mit dem Zürnen war und daß ein gut Wort immer eine gute Statt findet? Man soll sein Herz nicht zu einer Mördergrube machen, Junge – man thut damit nicht blos den andern, sondern auch sich selber weh und macht sich manchen Tag trübe, der heiter sein könnte. Aber wie wäre es denn, wenn Du nach dem ersten Schritt, der auch im Guten der schwerste ist, auch den zweiten thätest und hinüber zum Christian gingst und ihn fragtest, ob er nicht morgen einmal kommen wolle, um sich Deine Bescheerung anzusehen? Er kommt – verlaß Dich d'rauf – und da kannst Du ja immer etwas für ihn zurecht stellen."

Die Widerstandskraft des kleinen Robert war bereits gebrochen – er holte tief Athem und sagte dann mit einer gewissen Anstrengung:

„Ja, Onkel, ich will gehen – gleich nachher."

Es zuckte eigenthümlich in dem gebräunten, wetterharten Gesicht des Alten und seine breite, schwere Hand glitt schmeichelnd über den dunkelbraunen Lockenkopf seines Lieblings, aber er sagte nur ganz einfach: „Recht so!" und als Robert hastig nach seiner Pelzmütze lief und die Handschuhe, die ihm die Tante aufdringen wollte, lachend ablehnte, rief er ihm nach:

„Was ich Dir noch sagen wollte – drüben auf der Chaussee ist ein ganzer Schwarm Krammetsvögel in die Vogelbeeren eingefallen und morgen Nachmittag gehen wir hinüber und schaffen der Tante Vorrath in die Küche." Er wußte genau, welche Freude er dem Kleinen machte, der mit einem jubelnden: „Also endlich sind sie da! Das hat aber lange gedauert!" davonsprang und im Hofe mit einem Satze einen hohen Schneehaufen übersprang. Nun war das Friedenschließen gar nicht mehr schwer.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Lavant: Onkel und Neffe (Rudolf Lavant) . Druck und Verlag der Genossenschafts-Buchdruckerei., Leipzig 1879, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Onkel_und_Neffe_1_13.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)