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– nein, Du glaubst es gar nicht. Wenn ich ihm eine Aurora zeige und dann ein Pfauenauge und ihn am andern Tage frage, wie die Schmetterlinge heißen, so macht er ein stupides Gesicht und sagt: ,Das ist ein Buttervogel und das ist auch ein Buttervogel.'"

„Ja sieh, das wird aber auch alles sein, was sein Vater weiß – die Leute auf dem Lande kümmern sich nicht um die Namen der Schmetterlinge und wissen nur, daß die Raupen der Weißlinge ihren Kohl fressen."

„Das ist ja alles richtig, aber wenn ich's ihm sage, so soll er sich's merken. Und siehst Du, eins namentlich werde ich ihm nie vergeben. Du hattest doch, als die Kartoffeln gehäufelt wurden, den Mägden gesagt, sie möchten acht geben, ob sie nicht vielleicht eine große grün und gelbe Raupe fänden, und die Sabine hat auch eine gefunden und weil das große dumme Frauenzimmer, die sich vor dem wildesten Ochsen nicht fürchtet, sie nicht anzugreifen wagte, hat sie den kleinen Zweig, an dem sie saß, abgebrochen und in der Schürze mit Zittern und Zagen hereingebracht. Ich war drüben am Teich und ließ flache Steine über's Wasser tanzen – ich weiß es noch wie heute – und bei Dir war der böhmische Oberförster mit dem gewichsten Schnurbart im Zimmer und da wollte sie nicht klopfen und stand an der Hausthür und ekelte sich vor der Raupe. Und da fing die an zu kriechen und in ihrer Angst nimmt sie den Zweig aus der Schürze und legt ihn auf die Schwelle und läuft wieder hinaus auf's Feld und denkt, wir werden das Thier schon finden. Darüber kommt der Christian und bildet sich ein, Gott weiß was vor sich zu haben und tritt mir die prächtige Todtenkopfraupe mit seinem Holzpantoffel zu Brei, und es war doch die einzige, die gefunden worden ist, und ich kann nun lange warten, bis ich einen Todtenkopf in meiner Sammlung habe."

„Das ist nun freilich ein großes Verbrechen, aber wer wird denn so unversöhnlich sein, Junge? Das ist man ja gar nicht gewöhnt von Dir."

„Ach, Onkel, das ist noch gar nicht alles! Du weißt doch noch, wie ich mir in Pachters Haferfeld die zwei großen grünen Graspferde gefangen hatte, die in der Pappkirche vor dem Fenster die ganze Nacht so lustig sangen? Da hat mir der dumme Tölpel, der Christian, das Gazefenster hineingestoßen, und fort waren die beiden, und ich hatte das Nachsehen – nein, ich kann nicht wieder gut mit ihm werden, und da soll ich ihm auch noch etwas zu Weihnachten schenken?"

Der Onkel blies eine große Rauchwolke von sich. „Ich will Dir einmal etwas sagen, Junge. Als die beiden Brüder aus der Schmiede, mit denen Du doch auch erst gut Freund gewesen warst, das kleine Kätzchen zu Tode gesteinigt hatten und sich Dir gegenüber dessen auch noch rühmten und Du in eine Rauferei mit ihnen geriethest, weil sie sich nicht überzeugen lassen wollten, daß dies eine abscheuliche Grausamkeit gewesen sei, und Du mit braunen und blauen Flecken und einem tüchtigen Loch im Kopfe heim kamst, habe ich Dir da den geringsten Vorwurf gemacht, obgleich die Geschichte leicht schlimm hätte ablaufen können?"

Die Augen des Kleinen blitzten. „Nein, Onkel. Du hast mir im Gegenteil gesagt, ich hätte recht gethan – ein ordentlicher Mensch dürfe kein Unrecht leiden und wenn er sich zehnmal sagen müsse, daß er den Kürzeren ziehen werde, und leider ließen die meisten Menschen aus Feigheit das Unrecht geschehen, statt mannhaft dagegen aufzutreten und nothfalls die Fäuste zu gebrauchen."

„Du sagtest damals, Du würdest mit den beiden Thierquälern nie wieder ein Wort reden und sie nie wieder ansehen, denn ein Mensch, der ein armes Thier mit boshafter Freude quäle, sei durch und durch schlecht, und man könne niemals wieder Vertrauen zu ihm haben."

„Ja, das hab' ich gesagt und ich hab's auch gehalten. Sie sind mir wieder in den Weg gelaufen und wollten thun, als sei gar nichts vorgefallen, ich hab' ihnen aber erklärt, ich möchte nichts mit ihnen zu thun haben, denn sie würden doch einmal weiter nichts als Schinderknechte. Daß sie mich so dämisch geprügelt hätten, daraus machte ich mir weiter nichts und sie hätten ja auch jeden Puff und jeden Schlag ehrlich zurückbekommen, aber das arme blutige Kätzchen hätte ich immer noch vor Augen und würde es auch nie vergessen können."

„Nun ja – und nicht wahr? ich habe Dir nie gesagt, daß Du Frieden

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Lavant: Onkel und Neffe (Rudolf Lavant) . Druck und Verlag der Genossenschafts-Buchdruckerei., Leipzig 1879, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Onkel_und_Neffe_1_12.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)