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sich feste Thorthürme; die Thore wurden im Laufe dieses Jahrhunderts abgebrochen und zwar das Wörner- und das Klosterthor in den 1820er Jahren, das Wasserthor aber erst 1858. Überdieß standen an der Stadtmauer einige runde Thürme; die Stadtmauer selbst ist in den 1850er und 1860er Jahren bis auf wenige Reste abgetragen worden.

Neresheim hat das Ansehen einer kleineren gemüthlichen schwäbischen Landstadt; die Gebäude sind meist nur zweistockig, nicht groß und wenig alterthümlich; nur ein großes Haus mit Erker und Renaissancegiebel ist zu bemerken. Die genügend breite Hauptstraße, zugleich Landstraße von Heidenheim nach Dischingen, zieht vom Wörnerthor bis zum Klosterthor der Länge nach durch die Stadt und an ihr liegen die meisten bedeutenderen Gebäude. Die übrigen Straßen sind mit Ausnahme der Marktgasse und der Schulgasse meist enge, unregelmäßig, jedoch gut gehalten. Von öffentlichen Plätzen sind zu nennen: der Marktplatz, eigentlich nur die gegen die Hauptstraße erweiterte Marktgasse, der Kirchplatz an der Stadtkirche, auf dem der Viehmarkt abgehalten wird, und der Rathhausplatz.

Das ansehnlichste Gebäude, die Stadtkirche, z. Th. aus dem Jahre 1745, steht im nördlichen Theil der Stadt an der Stelle der früheren 1465 hier erbauten, 1578 erweiterten. Ihr Äußeres ist im schlichten Zopfstil gehalten, das Innere aber an Wänden und Decken mit Fresken und Stuckaturen auf das reichste verziert; das Schiff hat eine beinahe flache Decke, der vielseitige 1716 neugebaute Chor Stichkappengewölbe, denen außen einfache Strebepfeiler entsprechen. Die Fresken malte Joh. Mich. Zink. Die drei Altäre, der Hauptaltar vom Jahre 1660, sowie die Kanzel, sind im prunkvollsten Rococo gehalten, in ähnlich reichem aber sehr edlem Stil ist die Orgel gefaßt. Auch Chorstühle und Sitzbänke sind tüchtig gearbeitet und im Schiffe hängen zwei Ölbilder aus dem vorigen Jahrhundert, die von prachtvoll geschnitzten Rahmen umschlossen werden. Ein Bürgersohn, Johann Frombelt, kais. Proviantverwalter in Komorn, stiftet 1655 die silberne ewige Lampe und ein anderer Bürgersohn, Kaspar Kaufmann, Hauptmann in Neapel, stiftet 1715 das Öl. Von den vier Glocken auf dem stattlichen, mit Zwiebelkuppel bedeckten Thurm hat die größte die Umschrift: Anno 1694 hat Abt Sinpertus dise Glockhen ausgiessen lassen. Sit nomen domini benedictum; auf der zweiten Glocke, welche an die in Heubach (O.A. Gmünd) im Jahre 1603 und von demselben Meister gegossene erinnert, steht in herrlicher Schrift:

Zu Gottes Lob und Ehr brauch man mich
Wallentinus Allgeyer in Ulm goss mich. 1607.

Die übrigen Glocken haben keine Inschrift.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Neresheim. H. Lindemann, Stuttgart 1872, Seite 171. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtNeresheim0171.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)