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die sich sowohl gegen die spekulativ-kritische Schule, als gegen die streng kirchliche Orthodoxie gleichmäßig in Opposition setzte, und je länger je mehr durch geistvolle und originelle Vertretung des positiven Bibelglaubens der theologischen Fakultät einen neuen Aufschwung gab. Durch ihn hat sich besonders seit den letzten 10 Jahren die Frequenz der Universität bedeutend gehoben.

Die katholisch-theologische Fakultät, deren Stiftung wir oben nur kurz erwähnt haben, nahm durch J. Ad. Möhler, der von 1822–35 in Tübingen lehrte, einen bedeutenden Aufschwung. Wir müssen seine wissenschaftliche und kirchliche Bedeutung als bekannt voraussetzen und bemerken nur, daß er nicht bloß auf die Theologen seiner Konfession einen nachhaltigen Einfluß ausübte, sondern auch von protestantischen nicht selten gehört und aufgesucht wurde. 1835 folgte er, schon kränkelnd, einem Ruf nach München. Die geschichtlichen Fächer, die Möhler hauptsächlich gelehrt hatte, wurden nun an K. J. Hefele übertragen, der 1836 als Privatdocent angestellt, seit 1840 ordentlicher Professor ist. Die Dogmatik, welche Drey bisher gelehrt hatte, übernahm Joh. Kuhn, der 1837 von Gießen berufen wurde. Hirscher war 1837 durch Mack ersetzt worden, der 1840 wegen einer Schrift über die gemischten Ehen auf eine Pfarrei versetzt wurde; an seine Stelle trat J. Gehringer, der sich 1849 nach eigenem Wunsch auf eine Pfarrei zurückzog. Für die alttestamentliche Exegese wurde 1837 B. Welte angestellt, der 1857 zum Domkapitular erwählt, durch Professor Himpel ersetzt wurde. Für Religionsphilosophie wurde im Jahr 1848 Jos. Zuckrigl aus Wien berufen. An Gehringers Stelle kam 1850 Mor. Aberle, und 1857 wurde ein neu errichteter Lehrstuhl des katholischen Kirchenrechts durch Prof. Frz. Kober besetzt.

Die Zeitströmung, welche in der evangelisch-theologischen Fakultät einen so bedeutenden Umschwung herbeigeführt hatte, mußte natürlich auch auf die philosophischen Studien einen großen Einfluß üben. Die Kantische Philosophie war durch die Bundesgenossenschaft, welche die Storrische Schule mit ihr eingegangen hatte, unter den Zöglingen des Stifts sehr verbreitet gewesen, aber die Fichte’sche und Schellingische Philosophie ging an der Tübinger Studentenwelt fast unbeachtet vorüber; nur einzelne begabtere aristokratische Geister befaßten sich mit derselben. Ganz anders war es mit der Hegelischen Philosophie. Im Anfang der dreißiger Jahre zwar waren es auch nur einzelne höher strebende Jünglinge, die sich ernstlich damit abgaben, denn die vorhandenen Lehrer ignorirten Hegel entweder, oder nahmen nur polemisch Notiz von ihm. Aber als in den Jahren 1833 und 34 Strauß

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Tübingen. H. Lindemann, Stuttgart 1867, Seite 297. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OATuebingen_297.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)