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Neckar sein tiefes, enges, phantastisch gewundenes Thal gefurcht hat; an seinen steilen Abhängen ragen aus dunklen Tannenwäldern auf grauen Felshäuptern oder frei gewordenen Hügeln malerische Trümmer ehemaliger Burgen ernst hervor. Im allgemeinen bietet die Umgegend von Rottweil viele landschaftliche Abwechslungen, die jedoch mehr einen pittoresken und strengen als wirklich milden Charakter an sich tragen.

Treten wir nun in die Nähe der Stadt Rottweil, so erfreuen uns die schönen Ansichten, die uns diese echt mittelalterliche, wohl befestigte Bergstadt von verschiedenen Seiten bietet. Aus der noch mit der alten festen Ringmauer umgebenen Stadt steigen neben manchen alterthümlichen Hausgiebeln die herrlichen Kirchen und Thürme hervor, auf der höchsten Stelle der weithin die Gegend beherrschende Hochthurm; und rings um die Stadt liegen freundliche, häufig sehr hübsche Gärten, theils zum Vergnügen, theils nutzbringend angelegt.

Machen wir nun einen Gang um und durch die Stadt[1] selbst und nehmen unseren Weg von Altstadt her gegen die Südseite der Stadt, wo wir die aus ansehnlichen modernen Gebäuden bestehende Hochbrücken-Vorstadt erreichen; hier erinnert zuerst auf einem freien, mit Linden besetzten Platz der ehemalige Hofgerichtsstuhl an die frühere Bedeutung der Stadt, derselbe ist aus Buntsandstein in schönem Rococostil gefertigt und mit dem riesenhaften Reichsadler an der Rückenlehne geschmückt, an der Hinterseite steht die Jahreszahl 1781. Die Hochbrücken-Vorstadt war ursprünglich ummauert und mit einem Hauptthor und zwei kleinen Nebenthoren versehen. Am südlichen Anfang der Hochbrücke stand ein großer starker Thorthurm, und bildete mit den übrigen Befestigungen einen Brückenkopf zu der Hochbrücke; diese war ursprünglich mit Dielen, die abgetragen werden konnten, belegt. Jetzt ruht die Brücke auf zwei kühnen über den breiten Stadtgraben gesprengten, 72′ hohen Schwippbögen. Am anderen nördlichen Ende der Hochbrücke stand abermals ein Thorthurm, der sog. Wagdenhals, durch den man in die eigentliche befestigte Stadt gelangte. An diesen Thurm lehnte sich nun auf beiden Seiten die heute noch größtentheils erhaltene Stadtmauer und lief schnurgerade in östlicher Richtung bis an die Südostecke, in westlicher bis an die Südwestecke der Stadt. Außerhalb der Mauer zieht eine tiefe natürliche Schlucht vom Neckarthal herauf und vertrat hier die Stelle des Stadtgrabens; sie war auf beiden Seiten künstlich aufgemauert und hiedurch noch mehr unzugänglich gemacht. An dieser Südseite der Stadt stand, außer dem


  1. Viele und sehr eingehende Notizen verdanken wir hiebei Herrn Stadtrath B. Herderer in Rottweil.
Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Rottweil. H. Lindemann, Stuttgart 1875, Seite 171. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OARottweil0171.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)