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Die im Jahr 1516 von dem Kloster Bebenhausen erbaute Pfarrkirche zum h. Martin ist an der Südseite des Langhauses durch später eingesetzte Fenster entstellt und nur ein schön gefülltes Spitzbogenfenster nebst den spitzen Eingängen haben sich noch in ihrer ursprünglich germanischen Bauweise erhalten; über einem der Eingänge ist neben dem Württembergischen das Kloster Bebenhausen’sche Wappen angebracht. Der im rein germanischen Styl gehaltene, mit Strebepfeilern versehene Chor schließt mit einem halben Achteck und enthält spitze Fenster, deren Bogentheile mit Maßwerk schön gefüllt sind. Der viereckige, massive Thurm ist mit Schußscharten versehen und nur in seinem obersten Stockwerke befinden sich geradlinige Fenster mit germanischem Maßwerk; auf demselben sitzt ein mit Blech gedecktes Bohlendach, aus dem eine sogenannte Laterne emporwächst. Die drei vorhandenen Glocken gehören, mit Ausnahme der größten, im Jahr 1699 gegossenen, der neueren Zeit an. Auf dem Thurme erschließt sich dem Auge eine ausgedehnte, sehr anziehende Rundsicht, welche sich über einen Theil der Alp (Neuffen, Staufen, Rechberg etc.), den Schurwald, Welzheimer Wald, Löwensteiner Berge, Stromberg, an den Asperg etc. erstreckt. Das Innere der Kirche ist im Jahr 1852 durchaus weiß getüncht worden und enthält außer einer sehr guten, in germanischem Geschmack gefaßten Orgel, welche der rühmlich bekannte Orgelmacher Walker in Ludwigsburg im Jahr 1852 fertigte, nichts Bemerkenswerthes. Von dem Schiff führt ein spitzer Triumphbogen in den um drei Stufen höher gelegten Chor, dessen schön construirtes Netzgewölbe in der Richtung von Westen nach Osten Schlußsteine mit folgenden Darstellungen enthält: 1) der heil. Franziscus, 2) die heil. Johanna, 3) die heil. Ottilia, 4) der heil. Martin und 5) die Mutter Gottes mit dem Kinde. Die Kirche ist Eigenthum der Stiftungspflege, welche übrigens bei der Unterhaltung derselben wegen Mittellosigkeit von der Gemeindepflege unterstützt werden muß.

Der um die Kirche gelegene, ummauerte Begräbnißplatz ist längst aufgegeben und dagegen im Jahr 1628 am östlichen Ende des Orts von einem Gerichtsherrn Sebastian Schäfer ein anderer gestiftet und auf Kosten des Heiligen und der Gemeinde mit einer Mauer umfriedigt worden.

Das im Jahr 1772 im Mansardenstyl erbaute Pfarrhaus, welches der Staat zu unterhalten hat, liegt frei mit schöner Aussicht; zu demselben gehören ansehnliche Ökonomiegebäude, ein gepflasterter Hofraum und ein freundlicher Garten; auch ist die Südseite des Wohnhauses mit einer reichen Kammerz geziert.

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Ludwigsburg. Karl Aue, Stuttgart 1859, Seite 241. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OALudwigsburg0241.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)