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gänzlich verbauten Chorraume stehen sehr alte, gut geschnittene Chorstühle; an einer Säule hängt eine hölzerne Tafel, auf der ein nicht mehr kenntliches Wappen gemalt und folgende Unterschrift angebracht ist: „anno dom: 1528 uf sant Pauls des heil. Bischofs Tag, starb der edel und vest Hans v. Steineck von Stauffenberg Kays. – – – zu Rom und Neapolis Hoptmann gewest, dem Gott der allmächtig gnedig und barmherzig sei.“

Der schlanke, viereckige Thurm, auf dem ein hohes spitzes Zeltdach sitzt, ist massiv, nur sein oberstes Stockwerk (Glockenhaus) besteht aus Holz; auf demselben hängen zwei Glocken, die größere von 1459, die kleinere von Gottlieb Jacob Rechlin in Stuttgart gegossen, vom Jahr 1743.

Die Speyrer Kirche liegt etwas erhöht auf dem Gottesacker am nördlichen Ende des Orts; in ihr wurden früher bei Leichenbegängnissen die Grabreden gehalten, in neuerer Zeit aber dient sie nur noch bei ungünstiger Witterung zu diesem Zwecke. Sie ist kleiner als die Pfarrkirche, dagegen in architektonischer Beziehung merkwürdiger und schöner. Ihre Bauweise ist die altgermanische; schöne spitzbogige Eingänge und Fenster, welch letztere in den Bogentheilen geschmackvoll gefüllt sind, zieren diesen Bau, der indessen bei fortgesetzter Vernachlässigung seinem Untergang schnell entgegengeht. Über dem westlichen Eingange ist eine Fensterrose angebracht, deren Füllung erst in neuester Zeit herausgebrochen wurde. Das schöne Chor schließt mit einem Achteck; an jeder Seite desselben befindet sich ein reich gefülltes Spitzbogenfenster und an jeder Ecke ein Strebepfeiler. Zwischen dem Chorschluß und dem Langhause steht eigenthümlicher Weise der Thurm, gleichsam ein auf dem vordern Theil des Chors sitzender sogenannter Dachreiter. Er besteht aus vier Stockwerken, drei steinernen und einem hölzernen, dem ein spitzes Zeltdach aufgesetzt ist; auf ihm hängen zwei Glocken, von denen die größere mit Namen der geistlichen und weltlichen Behörden, von Gottlieb Jacob Rechlin im Jahr 1743 gegossen ist; auf der kleineren stehen mit alter Mönchsschrift die vier Evangelistennamen. Im Innern ist die Kirche leider ruinirt und enthält nur noch einzelne Überreste ihrer früheren geschmackvollen Ausstattung; von diesen nennen wir: die hölzerne Brüstung der an der Westseite angebrachten Emporkirche, welche ganz im Styl der Kirche gehalten ist, ferner den nördlich von dem Triumphbogen stehenden steinernen Altarüberbau mit einem Netzgewölbe, an dessen Schlußstein das Brustbild eines Bischofs sich befindet. Auf der andern Seite des Triumphbogens stand ein ähnlicher Altarüberbau, der aber längst ein Opfer der Zerstörung wurde. Das Chor hat ein schön geflochtenes Netzgewölbe mit stark hervorstehenden Gurten; die Gewölbeconsolen bilden Fratzengesichter, mit Ausnahme der zwei östlichen,

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Leonberg. J. B. Müller’s Verlagshandlung, Stuttgart 1852, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OALeonberg_105.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)