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III. 2. Stamm und Eigenschaften der Einwohner. 43


2. Stamm und Eigenschaften der Einwohner.

Die Einwohner des Bezirks, welche einen Übergang von dem Weinbau treibenden Unterländer zu dem Schwarzwälder bilden, sind durchgängig Schwaben und theilen alle Eigenthümlichkeiten dieses Volksstammes, wie sie sich in Niederschwaben, oft in merklichen Zügen gegen Oberschwaben und gegen Franken im Laufe der Zeit ausgebildet haben.

Der Menschenschlag ist im Allgemeinen kräftig, von guter Gesundheit und ohne vorherrschende Gebrechen. Eigenthümlichkeiten im Äußeren findet man in Schönaich, wo die männlichen Einwohner neben einer regelmäßigen, übrigens etwas länglichten Gesichtsbildung beinahe durchgängig groß gewachsen, schlank und hager sind, während das weibliche Geschlecht mehr runde Gesichtsformen und einen gedrungeneren Körperbau hat. Die Ehninger sind kräftig, breitschultrig und stolz einherschreitend, dagegen die Dätzinger mehr von mittlerer Größe, hager und blaß aussehend; die übrigen Bewohner des Bezirks haben nichts auffallendes und sind im Allgemeinen gut und etwas gedrungen gebaut.

Die Gesundheitsverhältnisse sind im Ganzen als sehr günstig zu betrachten. Der Cretinismus gehört zu den Seltenheiten; nur Kropf, Scropheln und Rachitis sind namentlich in den beiden Städten häufig, syphilitische Krankheiten dagegen sehr selten und meist eingeschleppt.

Zu den häufigsten Krankheiten gehören im ganzen Bezirk Brustkrankheiten, Katarrhfieber, Lungenentzündungen und bei Kindern von 1–7 Jahren Luftröhrenentzündungen, welch letztere nicht selten tödtlich ablaufen, wohl hauptsächlich deßwegen, weil nicht frühzeitig genug ärztliche Hülfe begehrt wird. Außerdem sind am häufigsten Schleim- und Nerven-Fieber, welche in der Form des Typhus in den Jahren 1830–40 fast in sämmtlichen Gemeinden epidemisch geherrscht haben. In Holzgerlingen herrschte im Herbst 1846 eine 4 Monate lang andauernde Schleimfieberepidemie, wobei von 152 Erkrankten jedoch nur 12 starben. Im Etatsjahr 1848/49 breiteten sich die Varioloiden in dem Bezirk so sehr aus, daß nur 5 Gemeinden verschont blieben; es kamen 195 Fälle zur amtlichen Anzeige und es darf angenommen werden, daß eine gleiche Zahl aus Furcht vor der Absperrung verheimlicht wurde. In den höher gelegenen oder dem Winde ausgesetzten Ortschaften sind rheumatische Unfälle beinahe ebenso häufig als katarrhalische und entzündliche.


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Beschreibung des Oberamts Böblingen, Stuttgart und Tübingen 1850, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OABoeblingen043.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)