Seite:OAB Freudenstadt 139.png

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Marktplatzes anschließt. Die Erbauung dieser Kirche, zu welcher der berühmte Baumeister Schickard von Herrenberg († 1634) die Pläne entwarf, welche ebenso sehr gegen die Regeln des Kirchenbaus wie der Symbolik verstoßen, fällt in die Jahre 1601–1608[1]. Dem damaligen Geschmack entsprechend finden sich an der Kirche, wie an den beiden Thürmen neben vielen Renaissanceverzierungen in den Bogentheilen mit Maßwerk gefüllte, spitzbogige Fenster und Eingänge, an den Vorderseiten aber rundbogige Arcaden. Über den 4 Eingängen sind Begebenheiten aus der biblischen Geschichte in Hautrelief ziemlich gut ausgeführt und zwar über dem östlichen das Paradies, über dem nördlichen die Sündfluth, über dem südlichen Moses mit den Gesetzestafeln und über dem westlichen die Geburt Christi. Die beiden massiven Thürme, von denen je einer am Ende der beiden Flügel steht, sind in ihren unteren Theilen viereckig und gehen gegen oben in Achtecke über, auf den mit Blech beschlagenen Bohlendächern sitzen sogenannte Laternen; unterhalb der obersten Stockwerke sind Umgänge mit steinernen, im spätgermanischen Geschmack ausgeführten Geländern angebracht. Der obere (östliche) Thurm[2] hat eine Höhe von der Erdfläche bis zum Kirchthurmknopf von 162′; der untere (nördliche) scheint niederer zu sein, weil er um 10′ tiefer steht. Auf dem letzteren hängen 4, ein harmonisches Geläute gebende Glocken mit folgenden Umschriften: 1) Bernhart Lachmann gos mich, Osanna heis ich etc. 1500; 2) die 4 Evangelisten-Namen, 3) die 4 Evangelisten-Namen und die Jahreszahl 1451 und 4) O rex glorie Christe veni cum pace (die kleinste, aber wohl die älteste). In das Glockengestell ist die Jahreszahl 1603 eingeschnitten. Auf den Thürmen genießt man nicht nur eine anziehende, sondern auch eine sehr ausgebreitete Aussicht über die weit gedehnten Gebirgshöhen des Schwarzwaldes und an einen großen Theil des Steilabfalles der schwäbischen Alp. 1

Das helle und geräumige Innere der Kirche ist durchaus im


  1. Herzog Friedrich legte im Jahr 1601 den 2. Mai mit allen Feierlichkeiten den Grundstein zu dem Kirchenbau in der Ecke bei dem unteren Thurm. Die Kanzel wurde erst unter seinem Nachfolger Herzog Johann Friedrich den 29. Januar 1614 mit einer Predigt durch Joh. Hippolyt Brenz, Dekan in Herrenberg, eingeweiht; sie ist gedruckt unter dem Titel: Predigt-Stul, als … in … Frewdenstatt … die Canzel eröffnet worden. Tübingen, bei Werlin 1614. 4.
  2. Im unteren Stockwerke des obern Thurms befindet sich die Sacristei; als man an dieser Stelle im Jahr 1599 eine große Tanne fällte und den Wurzelstock derselben ausgrub, sprudelte eine frische Quelle hervor.
Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Freudenstadt. Karl Aue, Stuttgart 1858, Seite 139. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAB_Freudenstadt_139.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)