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diejenigen, welche keinen Nothpfennig für diesen Fall zurückgelegt hatten.

Nachdem der Fremde nach den einzelnen Angaben, die ihm gemacht wurden, die Summe aller öffentlichen Abgaben und Gemeindepflichten berechnet, schien die Verzagtheit der Versammelten nochmals wiederkehren zu wollen, als sie die Summe hörten, welche jeder Einzelne von ihnen, oder gar die Gemeinde im Ganzen aufzubringen hatte. Bald aber erhielt die Unterredung eine ganz andere Wendung.

Es ist gewiß, sagte der Fremde, daß ihr nicht wohl anders, als bei großer Sparsamkeit und Vorsicht, im Stande seid, euer tägliches Brot getrost und sorgenfrei zu essen. Irre ich aber nicht ganz, so nähret und pfleget ihr bei dem allen einen Dieb in euren Häusern, der euch das Mark eures Vermögens, eures Lebens aussaugt; der euch, indem ihr täglich freundlich mit ihm thut, Blut und Leben vergiftet; der, wie ich fürchte, nicht eher ruhen wird, als bis er euch alle an den Bettelstab gebracht hat, wenn ihr ihn nicht bald aus euren Häuser, aus eurem Dorfe thut. Entschließet ihr euch aber hierzu, so zweifle ich doch nicht, daß binnen wenigen Jahren an die Stelle eures jetzigen Unmuthes Frohsinn und Lebensglück treten, und euch bald klar werden wird, daß der Weg von euren jetzigen Umständen zu einem genügenden Wohlstande nicht so weit ist. – Mit welcher Aufmerksamkeit wurden diese Worte des lieben Mannes von Allen angehört!

Saget mir nur, sprach er nun weiter, ist dieser Branntwein euer tägliches Getränk?

Ein Bauer: Ei nun, so ein Glas oder ein paar trinken wir des Tags. Weiter aber geht ein ordentlicher Bauersmann nicht leicht, kann es auch in unsrer Lage nicht einmal.

Fremder: Gebt ihr eurem Gesinde, euren Taglöhnern Branntwein?

Bauer: Vor diesem geschah es nicht. Nun aber werden ihre Anforderungen immer größer, mögen auch, ihre Treue und Fleiß immer geringer werden. In der Aernte geht es nun schon gar nicht anders. Oft will sich auch ein Wirth vor dem Andern etwas sehen lassen, in guten Jahren nimmt man’s auch so genau nicht, übte Nachrede scheut man auch, und so könnte wohl die Sache zuletzt übler werden, als gut ist.

Fr.: Ei, ei, das dünkt mit selbst fast so. Doch fügt mir kurz, wie hoch könnt ihr wohl euren Verbrauch ungefähr berechnen?

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Friedrich Liebetrut: Nutzen und Schaden des Branntweintrinkens. L. Oehmigke, Berlin 1838, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Nutzen_und_Schaden_des_Branntweintrinkens.pdf/6&oldid=- (Version vom 1.8.2018)