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nur, um euch zu sagen, wie mir dabei ein Glas Wasser überall das liebste Getränk war, und wie ich dasselbe nimmermehr mit eurem Branntwein vertauscht haben würde.

Doch, damit ich hier lieber von euch rede, ihr lieben Leute, als von mir, so habe ich euren Klagen mit herzlichem Mitleiden und Bedauern zugehört. Wollt ihr mich nicht etwas näher von euren hiesigen Umständen belehren? Auf meine aufrichtige Theilnahme könnt ihr mit Gewißheit rechnen. Ich bin kein reicher Mann, und wäre nicht im Stande, noch diesen Abend aller eurer Armuth und Noth ein Ende zu machen. Doch ist es mir mit Hülfe meines Gottes oft schon gelungen, dem Elend und der Noth vieler Armen dadurch abzuhelfen, daß ich ihnen den sicheren Weg zeigte, zum Wohlstande, und überhaupt zu einem glücklichen, zufriedenen Leben zu gelangen.

Während der Fremde dieß sagte, hörten ihm alle Anwesenden mit immer größerem Erstaunen zu. Bald aber trat an die Stelle des Erstaunens ein herzliches Zutrauen, ja eine Zuneigung zu dem fremden Manne, wie sie es nicht leicht zu einem Menschen gefühlt hatten. Es war ihnen, als fühlten sie sich jetzt schon erleichtert. Sie konnten den liebreichen Blick aus den klaren Augen des Mannes nicht sehen, den sanften und doch so eindringlichen Ton seiner Stimme nicht hören, ohne ihm ihr ganzes Herz zuzuwenden.

Alle waren schon unterdessen so nahe als möglich an ihn heran gerückt, und binnen einer Viertelstunde war er mit den äußeren Verhältnissen des Ortes hinreichend bekannt. Er erfuhr, daß dieses Dorf eines der mittleren Dörfer der Gegend war. Es gehörten etwa 50 Familien mit 250 Seelen zu der Gemeine. Es waren gegen 20 Bauern in dem Dorfe, die zusammen etwa 35 Hufen Land besaßen; die übrigen Familien waren größtentheils Taglöhnerfamilien, eine kleinere Zahl trieb ländliche Handwerke. Ein guter Ackerwirth konnte den Ertrag der Hilfe zu ungefähr 200 Scheffeln, zum Werth von etwa 200 Thlrn., berechnen, wovon jedoch drei Viertel zur Unterhaltung der Familie, des Gesindes, des Viehstandes und der Ackergeräthe aufgewendet wurden. Das übrig bleibende Viertel reichte ungefähr eben hin, um die sehr bedeutenden Abgaben an den Staat und die besonderen Gemeindelasten zu tragen, denn diese waren zusammengenommen nicht unter 50 Thlr. auf die Hufe zu berechnen. Bei eintretenden Mißärnten traf daher bitterer Mangel und Entbehrung alle

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Friedrich Liebetrut: Nutzen und Schaden des Branntweintrinkens. L. Oehmigke, Berlin 1838, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Nutzen_und_Schaden_des_Branntweintrinkens.pdf/5&oldid=- (Version vom 1.8.2018)