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und bin darum doch so frisch und munter, wie ein Vogel in der Luft. Als ich unlängst eine Fuhre Kohlen bei einem Schenkwirth abgeladen, sagte er zu seiner Frau, sie solle nur ein Glas vom besten Ale (ein starkes Bier) einschenken. Sie that es, und reichte mir das Glas mit den Worten hin: Hier mein Freund, das ist ein Bier, wie ihr es noch nie getrunken! Nein, antwortete ich, Satan soll mich nicht wieder verlocken! Und nun, meine Herren, sollten sie meinen Haushalt sehen; es sind 13 Monate her, seit wir keine berauschende Getränke mehr trinken; aber Gottlob, dieß war von solchem Segen begleitet, daß wir nun mit allem reichlich versehen sind, was wir brauchen!“

Hiermit war denn auch das letzte Bedenken im Grunde schon gehoben, womit denn andere schwächliche Personen sich stärken sollten, und welchen Ersatz sie finden würden, wenn sie keinen Branntwein mehr trinken wollten. Ein eigentlicher Ersatz hierfür konnte schon darum nicht nöthig sein, weil ja der Branntwein weder genährt noch gestärkt, sondern nur immer noch mehr geschwächt hatte. Eine gute Ordnung im Essen und Trinken überhaupt, gehöriges Maß im Arbeiten und Schlafen, nöthigenfalls eine gute Medicin jährlich einigemal gebraucht (die immer noch nicht so theuer wird, als der tägliche Genuß des Branntweins), vielleicht auch ein Glas dünnes, gutes, nicht berauschendes Bier, dieß schien jetzt allen der Gesundheit viel zuträglicher zu sein, als Branntwein oder andere starke Getränke.

So konnte es denn auch nicht mehr schwer werden, sich über den Weg zu verständigen, auf welchem man sich von der Herrschaft eines so verderblichen Getränkes am sichersten befreien könne.

Zwar wünschten immer noch Einige, erst den Versuch zu machen, den Branntwein nicht sowohl abzuschaffen, als sich nur im Genuß desselben zu mäßigen, oder sich doch diesen Genuß nur nach und nach abzugewöhnen. Der Fremde zeigte indeß, daß man überall mit diesem gefährlichen Feinde nichts ausgerichtet habe, so lange man mit ihm unterhandeln und kapituliren wollte. In einer unbewachten Stunde war gewöhnlich alles wieder verloren, was man ihm vielleicht durch monatelange Mühe abgewonnen hatte; eine frohe Gesellschaft[WS 1] oder sonst eine dem Feinde günstige Gelegenheit verdarb alles wieder, und hatte er erst einmal wieder seine giftige Lust eingeflößt, einmal die alte Macht der Sünde wieder gewonnen, so ward das Letzte ärger als das Erste. Sobald man sich aber einmal entschloß, diesem Feinde völlig und

  1. Vorlage: Gesellschft
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Friedrich Liebetrut: Nutzen und Schaden des Branntweintrinkens. L. Oehmigke, Berlin 1838, Seite 41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Nutzen_und_Schaden_des_Branntweintrinkens.pdf/41&oldid=- (Version vom 1.8.2018)