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wie die gänzliche Absagung des Branntweins und aller berauschenden Getränke der einzige Weg der Rettung für alle starke Trinker und Säufer sei.

Eben so las er ihnen eine Anzahl von Reden vor, welche zu Preston in England vor einer sehr zahlreichen Versammlung von Freunden und Gegnern der starken Getränke gehalten worden waren. Diese waren 6 Abende nach einander zusammengekommen, theils um bekannt zu machen, was in der letzten Zeit zur Abschaffung jener Getränke geschehen sei, theils sich zu berathen, was ferner hierzu beigetragen werden könne. Hier waren Hunderte der vornehmsten und reichsten Männer des Landes, Minister und Räthe des Königs, reiche Kaufleute, aber auch hunderte von Arbeitern und Handwerkern versammelt. Eine ganze Reihe von gewesenen Säufern trat nach einander auf, die unter Freudenthränen erzählten, welchem Elende, welcher schimpflichen Knechtschaft sie entronnen waren, welcher glücklichen Umstände sie sich dadurch erfreuten, daß sie dem Genusse des Branntweins und der starken Getränke völlig entsagt hatten. Es waren unter ihnen Männer, die seit vielen Jahren dem Trunke ergeben gewesen, vieljährige Säufer, deren Gesundheit bereits so zerstört gewesen war, daß sie weder essen noch schlafen konnten, und nur von einem Rausche zum andern taumelten. Aber alle kamen in dem freudigen Zeugnisse überein, daß nach einiger Zeit der Enthaltung von Branntwein ihnen Gesundheit, Kraft und Lust zur Arbeit wiedergekehrt sei. „Ich bin in der Welt wohl bekannt,“ sagte unter vielen ein Fuhrmann, „ich war seit 14 Jahren der treuste Kunde der Schenkwirthe, und eine Plage für meine Frau. Nun aber bin ich so glücklich, wie jemand in diesem Leben sein kann, und habe in den 13 Monaten, in welchen ich ohne starke Getränke lebte, mehr Freude genossen, als in meinem ganzen früheren Leben. Ich hatte meine Familie grausam gemißhandelt und meine Kinder nackend gehen lassen. Ich verdiente Geld genug, manche Woche über 30 Thaler, aber wenn ich jede Woche das Doppelte verdient und 100 Jahre gearbeitet hätte, würde es mir nichts geholfen haben. Gott sei Dank, daß ich den Mäßigkeitsverein kennen lernte, und mich entschloß, keine starken Getränke mehr zu trinken! Mein Haus, früher eine Hölle, ist in ein Haus der Freude umgewandelt. Meine Kinder gehen ordentlich gekleidet. Ich selbst habe mich nie so wohl befunden, als jetzt; ich bin heut um 3 Uhr Morgens aufgestanden, habe einen weiten Weg zurückgelegt,

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Friedrich Liebetrut: Nutzen und Schaden des Branntweintrinkens. L. Oehmigke, Berlin 1838, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Nutzen_und_Schaden_des_Branntweintrinkens.pdf/40&oldid=- (Version vom 1.8.2018)