Seite:Nutzen und Schaden des Branntweintrinkens.pdf/4

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

die Bauern sahen jetzt mit neuer Verwunderung nach demselben hin; denn ein so einfaches Abendbrod, meinten sie, könne ja kaum den Appetit des groben Bauersmannes befriedigen. Als der Fremde nun aber ein Glas frisches Wasser forderte, es mit sichtbarem Vergnügen austrank, und zum Zeichen seiner Freude über diese schöne Gabe Gottes der kleinen Wirthstochter ein Zweigroschenstück für das frisch vom Brunnen geholte Wasser schenkte, da vermogten sie nicht länger zu schweigen. Auch zeigte sich der Fremde nicht abgeneigt, sich nun mit den übrigen Gästen in ein Gespräch einzulassen, welches der Hauptsache nach folgendes war:

Bauern: Das wird der Herr doch auch nicht lange so aushalten, wenn er nichts, als das liebe kalte Wasser trinkt!

Der Fremde: Das steht freilich in Gottes Hand, ihr lieben Leute! wie lange ich mein Leben noch führen kann und soll. Das aber weiß ich gewiß, daß ihr es allesammt ein gutes Theil länger aushalten solltet, als jetzt, wenn ihr nämlich wäret und thätet, wie ich.

B.: Das mag wohl sein; aber der Herr sollte nur eine Zeitlang sein und thun wie wir, sollte die Last unsrer Arbeit nur ein paar Monate lang tragen, sich dabei mit unserer schlechten Kost begnügen, ohne etwa des Mittags in der Stadt ein besseres Glas – –

Fr.: Erlaubet, lieben Leute, daß ich euch das Wort nehme! es ist wahr, daß ich nicht selten reichlicher und besser esse, als ihr hier sahet. Was aber eure Arbeit betrifft, so ist mir die Last derselben wohl bekannt. Mein Vater ist Landbauer in Amerika, nun zwar wohlhabend und von Gott gesegnet; aber als er vor 25–30 Jahren mit mir und meinen Brüdern erst jene Wildniß urbar machte, die noch nie eine Menschenhand bebauet hatte, da glaubet mir, war unsere Last nicht geringer, als die eurige! Und was mein jetziges Leben betrifft, so bin ich seit sieben Jahren größtentheils immer auf Reisen, habe jährlich ein paar tausend Meilen zurückgelegt, bin in den weiten Ländern von Amerika vielmal hin- und hergezogen, habe in den heißesten Gegenden von Asien, Neu-Holland und Afrika, unter schwarzen, gelben und braunen Menschen, meine Geschäfte gemacht, und nicht weniger in den kalten und eisigen Gegenden von Rußland, Schweden und Schottland. So könnet ihr euch leicht denken, wie ich Frost und Hitze, Mangel und Beschwerden oft zu tragen hatte, wie ihr wohl manche Woche, manchen Monat lang nicht an meiner Stelle hättet sein und arbeiten mögen. Dieß

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Liebetrut: Nutzen und Schaden des Branntweintrinkens. L. Oehmigke, Berlin 1838, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Nutzen_und_Schaden_des_Branntweintrinkens.pdf/4&oldid=- (Version vom 1.8.2018)