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ganz, ohne allen Schaden aufgegeben hatten, und seit der Zeit immer mehr wieder zu Gesundheit und Kraft gekommen waren. Ja es stand sogar ein anwesender Bürger aus der nächsten Stadt auf und erklärte mit großem Ernst, daß er dafür einstehen könne, daß niemand zum Schaden seiner Gesundheit den Genuß des schädlichsten aller Gifte aufgeben werde. Vor einem Jahre sei er zwar auch andrer Meinung gewesen. Dann habe er, nach vielen vergeblichen Versuchen, ein mäßiger Trinker zu werden, sich vor Gott fest entschlossen, nicht einen Tropfen Branntwein mehr zu trinken. Anfangs habe es ihm oft wieder leid werden wollen; er habe sich so matt gefühlt, es sei ihm so kläglich zu Muthe gewesen, wie einem, der von einem schweren Krankenlager aufsteht. Doch habe er unter Gottes Beistande ausgehalten und gedacht, lieber willst du nun fromm und nüchtern sterben, als trunken und gottlos. Dabei habe er still und gottergeben seine Arbeit gethan, mäßig und zur gehörigen Zeit gegessen, als Getränk nur Wasser und Milch, zuweilen aber auch ein halbes Glas Bier getrunken, und bald sei er wieder zu Gesundheit und Kraft und Lebensfreude gekommen. Hier komme es also nur darauf an, treu und fest zu bleiben, um nicht in den ersten acht Tagen den Muth zu verlieren. Bald werde es sich dann zeigen, daß jene Meinung der letzte Betrug des geschlagenen Feindes sei, der sich entweder rächen will, wenn er das so längst bewohnte Haus verlassen soll, oder er will den Besitzer nöthigen, ihm die Thür zur Rückkehr recht bald wieder zu öffnen.

Dieses offene Geständniß eines Mannes, den nur die Liebe zu einer guten Sache bewegen konnte, die natürliche Scham zu unterdrücken und seine frühere Schwachheit hier vor einer Landgemeinde zu bekennen, machte auf alle den größten Eindruck. Der Fremde durfte jetzt nur noch kurz auf die tausendfachen Erfahrungen, welche gebesserte Säufer seit einigen Jahren in England und Nord-Amerika gemacht hatten, die sich jetzt wieder der Gesundheit und aller Wohlfahrt erfreuten, hinweisen, um jeden Zweifel in dieser Hinsicht zu zerstreuen. Vorzüglichen Eindruck machte es, als er ihnen ein Rundschreiben vorlas, welches 30 Handwerker und gewesene Säufer in England an alle dortigen Trinker richteten, nachdem sie jede Art von berauschenden Getränken zu trinken aufgehört hatten, und dadurch wieder glückliche Menschen wurden. Dieses Schreiben war von Schustern, Schneidern, Stellmachern, Webern u. s. w. unterzeichnet, und zeigt,

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Friedrich Liebetrut: Nutzen und Schaden des Branntweintrinkens. L. Oehmigke, Berlin 1838, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Nutzen_und_Schaden_des_Branntweintrinkens.pdf/39&oldid=- (Version vom 1.8.2018)