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als verderblich ist, und auf welchem Wege man sich von diesem gefährlichen Genusse völlig frei machen kann.

„Der Branntwein ist völlig entbehrlich.“

Dieß folgt genau genommen schon aus dem Vorigen von selbst. Oder sollte der Genuß eines schleichenden Giftes, das den Körper unter keinen Umständen nährt, ihm überall nur schadet, nicht aber nützt, nicht völlig entbehrlich sein?

B.: Aber erlauben Sie nur, lieber Herr, wir haben uns nun doch einmal an dieses Uebel gewöhnt.

Fr.: Wohl, lieber Freund! Bald wollte ich auch auf diesen Punkt kommen. Aber ihr sehet gewiß ein, daß man vor 100 Jahren einen Menschen würde ausgelacht haben, der erst hätte zeigen wollen, daß der Branntwein überflüssig und entbehrlich für den Genuß sei. Da würde jeder gesagt haben: Ei das versteht sich ja von selbst, daß Branntwein so gut entbehrlich ist, als Schierlingssaft und Arsenik; und welchem vernünftigen Menschen fällt es denn auch schon ein, so etwas zu trinken?

Hiermit sind wir aber schon auf den zweiten Beweis gekommen. Der Branntwein ist unnütz und entbehrlich; nicht allein darum, weil er nicht nützt sondern schadet, sondern weil eure Vorfahren vor und nach der Geburt unsres Erlösers lebten und glücklich waren, ohne auch nur an den Branntwein zu denken. Warum sollten wir nun nicht entbehren können, was ihnen so lange entbehrlich, ja völlig unbekannt war? Drittens aber ist derselbe auch entbehrlich, weil es schon Millionen von Menschen bewiesen haben, daß es nur auf den bloßen Entschluß, auf den festen Willen ankam, nicht mehr Branntwein zu trinken, und sie befanden sich alsbald wieder so wohl und glücklich, als ehemals, ehe sie jenes schädliche Gift kennen lernten. Nur diejenigen, welche bereits die Kräfte ihres Körpers und der Seele völlig zerstört hatten, konnten nicht immer das verlorne Gut der Gesundheit wieder gewinnen; doch befanden sich diese immer besser, wenn sie zu trinken aufhörten, als zuvor.

Vernehmet nur, daß auch ich noch vor wenigen Jahren täglich einige Gläser starken Branntwein genoß, ehe in meinem Vaterlande die Mäßigkeitsgesellschaften gegründet wurden. Dieß geschah im Jahre 1826, und seit der Zeit hat der sechste Theil der ganzen Bevölkerung von Nordamerika dem Genuß des Branntweins völlig entsagt. Millionen von ehemaligen mäßigen und unmäßigen Trinkern, Tausende von ausgemachten Säufern, die schon im Abgrunde des Verderbens

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Friedrich Liebetrut: Nutzen und Schaden des Branntweintrinkens. L. Oehmigke, Berlin 1838, Seite 33. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Nutzen_und_Schaden_des_Branntweintrinkens.pdf/33&oldid=- (Version vom 1.8.2018)