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und sich am folgenden Tage zu ernster und frommer Fortsetzung der Berathung wieder zu versammeln.

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Am folgenden Tage vermogte das Pfarrhaus kaum die Menge hörbegieriger Menschen zu fassen, welche zusammenkamen, um den Weg kennen zu lernen, auf dem sie von einer so verderblichen Gewohnheit befreit werden könnten. Auch aus den nächsten Städten sogar war eine ziemliche Anzahl herbeigekommen. Dieß veranlaßte den Fremden, den Versammelten noch einmal in der Kürze alles zu wiederholen, wobei ihn nun der Pfarrer vielfach unterstützte, indem derselbe aus vielen Erfahrungen, die jedermann seit Jahren in der Umgegend hatte sammeln können, bewies, wie der Fremde in allen Hauptpunkten vollkommen Recht habe.

So waren auch die zum ersten Male Gekommenen bald überzeugt, wie der Branntwein der gefährlichste Feind ihres Wohlstandes, ihrer Gesundheit und Seligkeit sei, wie man diesen Feind nur aus dem Lande oder wenigstens aus seinem Hause vertrieben haben dürfe, um damit für sein zeitliches und ewiges Wohlergehen um vieles besser gesorgt zu haben.

Namentlich war den Handwerkern und den übrigen Stadtleuten ganz klar, wie sie fast sämmtlich sich in einem glücklichen Wohlstande befinden müßten, wenn sie seit etwa 20 Jahren das Geld gesammelt, oder auf eine zweckmäßige Weise angelegt haben würden, welches sie für ein so schädliches Getränk weggeworfen hatten. Sehr wenige unter ihnen waren, die ihren täglichen Verbrauch an Branntwein, Likör und Rum mit einem guten Groschen bestreiten konnten, die meisten versicherten, wenigstens das Doppelte zu gebrauchen; ungerechnet, daß bei besonderen Gelegenheiten, die in der Stadt so häufig kommen, oft das Vierfache an einem Tage gebraucht würde. Sie berechneten, daß aber täglich ein Groschen jährlich 15 Thlr. betrage, welches in 30 Jahren ein weggeworfenes Kapital von 450 Thlrn. mit bloß einfachen Zinsen von 3371/2 Thlrn. macht, im ganzen also einen Verlust von 7871/2 Thlrn. Mancher alte arme Schuster und Schneider erkannte mit Schrecken, wie er also jetzt eine Summe von fast tausend Thalern für sein schwaches Alter erspart, oder es zum Besten seiner Kinder verwendet haben könnte, ohne dabei das Geringste entbehrt zu haben, als den Genuß eines ganz unnützen, ja leib- und seelenverderblichen

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Friedrich Liebetrut: Nutzen und Schaden des Branntweintrinkens. L. Oehmigke, Berlin 1838, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Nutzen_und_Schaden_des_Branntweintrinkens.pdf/31&oldid=- (Version vom 1.8.2018)