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zählen, werden, wenn die Mäßigkeit eine Seltenheit wird geworden sein, wenn schon Säuglinge das Glas in den Händen ihrer gottlosen Mütter sehen werden und das ganze Land vom Verderben trunken sein wird: welche Zukunft wird dann für eure Kinder zu hoffen sein??

Hier hielt der Fremde nochmals eine Zeitlang inne. Niemand unter den Versammelten wagte auch nur ein Wort zu reden. Bleich und von Entsetzen ergriffen saßen sie da. Greise rangen die Hände in bitterem Gram, Männer und Jünglinge weinten wie die Kinder. Alle waren fest überzeugt, nur eine schnelle Hülfe, nur ein ungewöhnlicher Entschluß könne unter dem gnädigen Beistande Gottes noch einen Zustand abwenden, der in manchen Häusern mit all seinem Jammer schon vorhanden war, in viele aber doch schon einzukehren drohte.

Dann gab der Fremde dem Pfarrer freundlich die Hand und sprach: Nicht wahr, Herr Pastor, ihre liebe Gemeinde kennt den Weg des Heils und den Weg des Verderbens! So weiß sie auch, daß Gott nicht gefallen hat am Tode des Sünders, sondern daß derselbe sich bekehre und lebe! Irre ich nicht, so sind diese alle entschlossen, diesen Weg der Sünde zu verlassen, und den Branntwein hinfort als einen feurigen Pfeil des Satans zu fliehen!

Pfarrer: Gewiß, ihr Urtheil trügt sie nicht. Der Herr, unser Gott, wird unserm Vaterlande und dieser Gemeinde Gnade geben, die Entschlüsse auszuführen, welche sie und andere gleichgesinnte Männer unter uns erwecken! Haben sie nur die Güte das gute Werk fortzusetzen, welches sie seit gestern in dieser Gemeinde angefangen haben. Zeigen sie uns noch, auf welchem Wege die furchtbare Macht der bösen Gewohnheit zu brechen ist, und wie wir von dem Fluche des Branntweins zu erlösen sind, ohne den unsre Väter noch vor 50 Jahren so glücklich leben konnten: und an bereitwilligen Herzen, ihre Rathschläge anzunehmen, wird es nicht fehlen! –

Hierauf erhoben sich alle Versammelte, wie ein Mann, und baten den Fremden, noch länger zu bleiben, und ihnen zu zeigen, was zu thun sei, um jenen drohenden Gefahren zu entgehen.

Gern ward diese Bitte gewährt. Der Pfarrer und der Fremde entließen die Versammlung mit herzlichem Gruße und der Vermahnung, über das Gehörte inzwischen weiter nachzudenken,

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Friedrich Liebetrut: Nutzen und Schaden des Branntweintrinkens. L. Oehmigke, Berlin 1838, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Nutzen_und_Schaden_des_Branntweintrinkens.pdf/30&oldid=- (Version vom 1.8.2018)