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Vorwort zur zweiten Auflage.

Dieser Schrift, welche hiermit in einer zweiten Auflage erscheint, wurde die große Auszeichnung zu Theil, den Beifall eines Hoheit Ministerii der Geistlichen-, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten zu finden, welches auf Allerhöchsten Befehl Sr. Majestät, des auch hier wie überall auf das wahre Wohl seines Volkes väterlich bedachten Königes, dem Verfasser den hohen Auftrag ertheilte, eine neue bedeutende Auflage zu veranstalten, von welcher 10000 Exemplare zur unentgeltlichen Verbreitung in der ganzen Monarchie bestimmt sind.

Und so übergiebt der Verfasser dieser geringen Arbeit dieselbe, im wesentlichen unverändert, den lieben Lesern nochmals hin. Mögen sie dann, in der Hand Gottes, unter der treuen Fürsorge Sr. Majestät und der höchsten Landesbehörden noch ferner einer Sache dienen, der sich die lebendige Theilnahme aller Edelgesinnten des Vaterlandes unmöglich länger entziehen wird.

Der Verf.




Es war ein rauher Winterabend, wie das letzte Jahr uns viele brachte, als noch spät ein Reisender in die Wirthsstube trat. Die in derselben versammelten Bauern sahen eine Weile verwundert auf den Fremden hin, welcher kräftig die dicken Schneeflocken aus seinem Haar und von seinen feinen Kleidern schüttelte. Er sah ernst, und doch so frei und froh aus, er ging so fest und männlich einher, wie jemand, der sich wie ein König fühlt; er sah alle so frisch und durchdringend an, und doch war sein Blick so sanft und liebreich, sein ganzes Wesen so freundlich und brüderlich; dabei war seine Aussprache so fremd und ungewohnt, daß ihnen alles zu sagen schien; „Dieser Mann ist aus einem fernen Lande gekommen.“

Indeß wagten sie anfangs nicht, den Fremden neugierig auszufragen, um so weniger, als derselbe nach einem herzlichen Gruße seinen Platz an einem besondern Tische nahm. Bald verloren sie den Fremden auch wieder aus den Augen, der indeß seine Aufmerksamkeit im stillen auf sie hinrichtete. Obwohl die Bauern nun nicht versäumten, sich fleißig einander zuzutrinken, saßen sie doch mißmuthig und verdrossen da; ja ihre ganze Unterhaltung bestand aus Klagen, Beschwerden und Worten voll Unmuth und Herzeleid. Der lange Winter, die niedrigen Preise, das trotzige Gesinde, der Leichtsinn der Jugend, der Verfall ihres Wohlstandes, ihrer Wirthschaften, vor allem aber die öffentlichen Abgaben und Gemeindelasten waren es, worüber sie ihre lauten Klagen erhoben.

Inzwischen ließ sich unser Reisende sein kleines Abendbrot von gekochten Eiern und anderen ländlichen Speisen, wie sie der Wirth eben bereit hatte, trefflich schmecken, und

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Friedrich Liebetrut: Nutzen und Schaden des Branntweintrinkens. L. Oehmigke, Berlin 1838, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Nutzen_und_Schaden_des_Branntweintrinkens.pdf/3&oldid=- (Version vom 1.8.2018)