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Mann zehn andere kommen, die einem solchen Grundsatze nicht treu bleiben konnten. Wer aber bürgt nun euch dafür, daß ihr euch in die Gefahr begeben dürftet, ohne darin umzukommen, nach dem so viele Tausend darin umgekommen sind? Und gesetzt, ihr hättet so viel Kraft, eurem Grundsatze treu zu bleiben, würdet ihr dann nicht auch die Kraft haben, durch euer Beispiel zu zeigen, daß man ohne Branntwein gesund und glücklich leben kann? Würde es nicht sogar eure Menschen- und Christenpflicht sein, ein solches Beispiel zum Besten andrer zu geben? – –

Um nun zuletzt noch einmal eure eigene Erfahrung über die verderblichen Folgen für die zeitliche Wohlfahrt[WS 1] und die Gesundheit der Seele reden zu lassen, so saget mir doch, wie groß mag die Zahl der Säufer in eurer Gemeine sein?

(Die Bauern sehen den Pfarrer und sich selbst unter einander erschrocken an. Hierauf reden sie leise unter einander. Endlich nimmt einer unter ihnen das Wort und spricht:)

Ei nun, 2 oder 3 sind es doch wohl unter uns, die nicht viel darnach fragen, ob sie trunken oder nüchtern sind. Und wenigstens eben so viele sind, die sich gern einmal einen Rausch trinken, dieß auch wohl gern öfter thäten, wenn das Geld nur zureichen wollte.

Ein andrer: Nun, lieber Nachbar, wenn’s aufs Gernthun ankommt, so ist die Zahl wohl viel größer, namentlich bei der Jugend. Wir könnten aber auch noch erleben, daß wir mehr unmäßige Trinker im Dorfe hätten, als mäßige. Dann wird auch nach dem Geldhaben nicht gefragt, es wird so lange versetzt und verkauft, als noch etwas hierzu da ist. An solchen Dörfern fehlt es ja schon nicht, in denen eine Menge von Gütern verschuldet ist, weil die Zahl der Säufer alle Jahr größer wird.

Fr.: Nun wohl, so wollen wir annehmen, daß im ganzen ihrer 5 im Dorfe sind, die den Trunk lieben, die bereits Trunkenbolde sind, oder nahe daran, es zu werden. Nehmen wir dieß Verhältniß durchschnittlich für das ganze Land an (Pfarrer: in vielen Städten kann man leider die doppelte Zahl annehmen), so giebt dieß auf 1000 Seelen 20 Säufer, auf eine Million 20,000 Säufer, und auf eine Bevölkerung von 15 Millionen, die euer Land beinahe zählen mag, nicht weniger als 300,000 Säufer! (Alle fahren nochmals erschrocken zusammen.) Und für welchen haltet ihr den Weg dieser Unglückseligen, für den schmalen Weg, von welchem der Herr spricht, „daß er zum Leben führet,“ oder für den breiten,

  1. Vorlage: Wohlfarht
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Friedrich Liebetrut: Nutzen und Schaden des Branntweintrinkens. L. Oehmigke, Berlin 1838, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Nutzen_und_Schaden_des_Branntweintrinkens.pdf/27&oldid=- (Version vom 1.8.2018)