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nicht Raum zu geben – aber es scheint ihnen ein verkehrter Gedanke zu sein, den sie lachend in den Wind schlagen, indem sie sprechen: „Es trinken ja auch so ehrbare Leute, wie der und jener!“ Hierauf berufen sich endlich auch frech genug die ausgemachten Säufer; was ist, sprechen sie, für ein Unterschied zwischen uns und jenen, als daß wir uns ein Vergnügen etwas öfter machen, was auch jene sich erlauben! – Ihr sehet, lieben Leute, ich will die völlige Nichtigkeit dieser Art zu urtheilen nicht behaupten. Aber so viel ist gewiß, daß die mäßigen Trinker dadurch, daß sie mit nüchternem Muthe ein ausgemachtes Gift genießen, das ihnen niemals nützen, überall und immer nur schaden kann, dennoch eine große Schuld auf sich laden, indem sich andere ihres Beispiels immer zur Beschönigung ihres Lasters bedienen können. Mögen diejenigen unter euch zu entschuldigen sein, welche bisher mäßige Trinker waren, indem ihr aus Unwissenheit sündigtet. Aber indem ihr erkannt habt, daß der Branntwein euch nie nützen, sondern nur schaden kann, hört jene Entschuldigung auf, und ihr ladet eine große Verantwortung auf euch, wenn ihr andere durch euer Beispiel in ihren Sünden bestärkt. Ihr würdet hiermit nämlich gerade so gegen die Seele jener unglücklichen Knechte des Lasters sündigen, wie jener Grausame, der mit kluger Berechnung kleine Stückchen Gift verschluckte, meinend, daß er so viel wohl ohne Schaden vertragen könne, während ein Haufe gieriger Kinder oder unsinniger Menschen ihm auf die Finger sahen, um durch sein Beispiel ermuntert, sich nun völlig zu vergiften.

3) Endlich ist aber auch noch dieß zu bemerken, daß kein mäßiger Branntweintrinker sicher ist, ob er nicht bald zu der Klasse der unmäßigen Trinker gehören werde. Aus dem Vorigen geht schon hervor, daß der Genuß des Branntweins im Allgemeinen nothwendig dazu hintreibt, allmälig immer etwas mehr zu trinken. Wer den Branntwein auch gar nicht zum Vergnügen trinkt, sondern sich dadurch zu ermuntern und zu stärken meint, muß nothwendig, wenn er eine Zeitlang 8 Tage an einem Quart genug hätte, in 7 Tagen eins verzehren, worauf er in einigen Monaten oder Jahren wieder etwas mehr bedarf, wenn der Branntwein seinen geschwächten Körper noch aufregen soll. Doch dieß beweist ja auch schon die alltägliche Erfahrung. Zwar möget ihr noch etwa einwenden, daß sich doch hier und da ein fester Mann finde, der seinem Grundsatze treu bleibe, täglich nicht mehr zu trinken, als etwa ein Glas. Hiergegen gebt ihr aber zu, daß gegen einen solchen

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Friedrich Liebetrut: Nutzen und Schaden des Branntweintrinkens. L. Oehmigke, Berlin 1838, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Nutzen_und_Schaden_des_Branntweintrinkens.pdf/26&oldid=- (Version vom 1.8.2018)