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Folgen hat der Branntwein erst dann, wenn er im Uebermaaß getrunken wird, wenn der Mensch ein Trinker, der Trinker aber ein Säufer ist; wenn der Mensch dagegen sich mäßig halte, so fänden diese Folgen nicht statt.

Hierauf erwiedere ich, daß freilich der mäßige Antheil an einem Uebel nicht so verderblich ist, als das Uebermaß. Doch gebe ich noch hiergegen zu bedenken:

1) Der mäßige Genuß eines Giftes, welches unter allen Umständen nicht nützlich, sondern für Gesundheit und Leben verderblich ist, ist eigentlich immer eine Unordnung, die sich der wahrhaft Mäßige nicht zu Schulden kommen läßt. Oder was würdet ihr von einem Menschen halten, der sich zwar in Acht nähme, sein ganzes Vermögen auf die Straße zu werfen, wohl aber schüttete er mit kindischem Vergnügen täglich einen Groschen an einen Ort, woher er nimmer wieder kommt; oder wenn er sich zwar hütete, sich die Pulsadern aufzuschneiden, und sich todt zu bluten, wohl aber öffnete er sich, um einen lächerlichen Kitzel zu fühlen, öfter eine kleinere Ader, und ließe das Blut in den Sand laufen? So ist der mäßige Trinker, der kaltblütig noch das Glas in die Hand nimmt, nachdem er einmal erkannt hat, daß ihm dasselbe nur schaden, nie aber nützen kann!

2) Der mäßige Trinker mag für den Augenblick seinem Vermögen, seiner Gesundheit, der Zucht und Ordnung seines Hauses noch weniger schaden, als der Trunkenbold. Indeß schadet jener der guten Sache der Mäßigkeit gewissermaßen mehr, als der eigentliche Säufer. Niemand nämlich wird sich auf einen Säufer berufen, wer seine Unmäßigkeit beschönigen will; ein solcher ist jedermann verächtlich, und es wäre eine Schande, sich mit einem solchen zu vergleichen. Ist aber ein ehrbarer, ordentlicher Mann im Dorfe, zumal wenn er sonst im Ansehen steht, etwa ein Ortsvorsteher, Kirchenältester, oder gar der Schulze, der Pastor, der Gutsherr, und er trinkt täglich ein- oder zweimal sein Glas Branntwein, so wird sich jedermann zur Beschönigung seines Lasters auf ihn berufen. Mit guter Zuversicht beruft sich die unreife Jugend auf solche, wenn sie das erstemal in Versuchung kommt, das gefährliche Glas zur Hand zu nehmen; wie, spricht sie, könnte das unrecht sein, was die angesehensten Leute im Dorfe auch thun? Auf solche sehen ferner diejenigen, die schon im Begriffe stehen, von der Mäßigkeit zur Unmäßigkeit überzugehen. Noch regt sich vielleicht die innere Stimme, der heilige Geist warnt sie, dem Geiste des Unreinen

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Friedrich Liebetrut: Nutzen und Schaden des Branntweintrinkens. L. Oehmigke, Berlin 1838, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Nutzen_und_Schaden_des_Branntweintrinkens.pdf/25&oldid=- (Version vom 29.12.2018)