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und eure Wirthschaft ärmer macht, wie er, anstatt euch zu stärken, euch schwächt und eure Gesundheit aufreibt. Aber

Der Branntwein ist auch für die guten Sitten, für die Gesundheit und das Heil der Seele gleich verderblich.

Bei diesen Worten hielt der Fremde eine Zeltlang inne, und sahe sich im Kreise der Versammelten um. Mit großem Ernst saßen sie da, viele waren schon bis zu Thränen gerührt, alle schienen von der Wahrheit des letzten Satzes schon im voraus völlig überzeugt. Daß das Branntweintrinken die guten Sitten nicht befördere, daß dadurch vielmehr Unlust und Verdrossenheit zur Arbeit, Trägheit, Rohheit, Ausgelassenheit, Wollust, und vor allem der Müßiggang mit dem ganzen Gefolge der Laster vermehrt werde, daß mit der Zunahme des Branntweintrinkens beinahe überall und immer die Tugend und Frömmigkeit in gleichem Maße abnehme, wer von ihnen hätte dieß läugnen können? Alle kamen in folgenden Erfahrungen, die sie aufrichtig und mit vielem Kummer eingestanden, überein: Jemehr die Lust am Branntweintrinken zunimmt, jemehr nehmen gute Sitten, häuslicher Fleiß, Liebe, Friede, Sanftmuth, Zucht, Ehrbarkeit, Gehorsam und Pflichttreue ab. Am verderblichsten wirkt das Beispiel des Hausvaters auf Kinder und Gesinde über. Rohheit, Unbändigkeit, Liederlichkeit des Gesindes nimmt Mehr überhand, jemehr Gelegenheit zum Branntweintrinken da ist. Die bösen Sitten des Gesindes wirken auf die zartere Jugend verderblich ein, welche auch schon nach dem Genusse des Branntweins immer lüsterner wird, und sich denselben bald auf öffentlichen, bald auf geheimen Wegen zu verschaffen sucht. Selten endet ein festliches Vergnügen der Jugend im Wirthshause noch anders, als mit blutiger Schlägerei. Die stärksten Trinker zeigen sich hier in der Regel als die ärgsten Zänker, und bittere Feindschaft und Haß trennt sehr häufig die Partheien, die zuvor friedlich und fröhlich beisammen gewesen waren, ehe der Branntwein ihre Köpfe erhitzte. An den folgenden Tagen muß die Herrschaft dann in der Regel noch mit Vernachlässigung der Arbeit, mit Unmuth und Trotz des Gesindes dafür büßen, daß sie den Dienstboten zuvor die Erlaubniß zu ihren Ausschweifungen verstattete; eine Erlaubniß, die zwar von dem trotzigen Gesinde gar nicht mehr gefordert wird, da es ihnen schon

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Friedrich Liebetrut: Nutzen und Schaden des Branntweintrinkens. L. Oehmigke, Berlin 1838, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Nutzen_und_Schaden_des_Branntweintrinkens.pdf/23&oldid=- (Version vom 1.8.2018)