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und Ermattung. Dieß ist augenscheinlich, sobald der Trinker es bis zur völligen Trunkenheit kommen ließ, die ihn bald seiner Sinne ganz beraubt, und ihn nachher mit Unmuth und Ermattung bestraft, wenn er nicht alsbald wieder zum Glase greift und zuletzt ein vollkommener Säufer wird. Aber auch mäßig genossen hat der Branntwein in kleinerem Maße dieselbe verderbliche Wirkung. Nie kann nämlich der Branntwein den Körper irgend nähren oder stärken, nicht einmal sich mit den Lebenssäften völlig verbinden; sondern nachdem er durch alle Gefäße hindurch getobt und überall den ordentlichen Verlauf des Lebens gestört hat, wird der Körper nicht eher wieder beruhigt, als bis er den Branntwein bis auf die letzte Spur wieder ausgeworfen hat. Ist aber die Lebenskraft bereits so geschwächt, daß der Körper die giftigen Theile des Branntweins gar nicht mehr von sich geben kann, so muß der Tod erfolgen, daher auch mehr als die Hälfte aller plötzlichen Todesfälle auf Rechnung des Branntweins zu schreiben ist.

In allen Fällen ist es also ein Betrug, wenn der Branntwein zu stärken scheint, da er in der nächsten Stunde doppelt wieder nimmt, was er kurz zuvor zu geben schien. Ja das Uebel ist noch schlimmer, da es den Körper nicht bloß angreift und ermattet, wie die Arbeit, sondern seine Kräfte wirklich beschädigt und verzehrt, wie jedes andere Gift. Dazu kommt nun endlich noch die Gefahr, daß der Trinker durch diese Beschaffenheit des Branntweins gereizt wird, immer etwas mehr zu trinken, theils wegen des augenblicklichen Vergnügens, theils weil sein Körper durch den Branntwein immer mehr erschlafft und immer unlustiger und unkräftiger wird, ohne den betäubenden Reiz des Branntweins noch seine Schuldigkeit zu thun.

B.: Hieraus erklärt es sich ja nun ganz deutlich, warum wir seit 30 Jahren uns gewöhnt haben, 4 bis 5 mal so viel Branntwein zu trinken, ohne dieß nur eigentlich gewahr geworden zu sein. Wir sind dabei nicht geschickter, sondern unlustiger und untüchtiger zur Arbeit geworden. Wenn wir aber jetzt 5 mal mehr trinken, als vor 30 Jahren, so deuchte uns dieß noch immer kaum genug, und wir können uns recht wohl denken, wie wir nach wieder 10 Jahren noch einmal so viel trinken gelernt haben, und noch untüchtiger geworden sein würden.

Fr.: Noch untüchtiger! Dieß, lieben Freunde, ist das rechte Wort! Ihr habt gesehen, wie der Branntwein euch

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Friedrich Liebetrut: Nutzen und Schaden des Branntweintrinkens. L. Oehmigke, Berlin 1838, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Nutzen_und_Schaden_des_Branntweintrinkens.pdf/22&oldid=- (Version vom 1.8.2018)