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würde. Die Kosten belaufen sich für jenes kleine Land auf 97 und 4 Million Thaler; das macht also in jeder Woche die fast unglaubliche Summe von 2 Mill. Thaler, welche der Branntwein jenem Lande kostet. Seid nun froh, daß durch Gottes Güte euer Land noch vor dieser Höhe des Verderbens bewahrt blieb. Aber seid auch gewiß, daß nichts euch gegen ein gleiches, und wohl noch, größeres Verderben schützen wird, wenn ihr nicht alle eure Kraft zusammen nehmt, um euch von der Gewalt eines Feindes los zu machen, der es auf euren gänzlichen Untergang abgesehen hat.

Bis hierher hatte die Gesellschaft dem Fremden mit immer größerer Aufmerksamkeit zugehört. Nun aber konnten sie ihn nicht länger schweigend anhören. Thränen stürzten aus vieler Augen. Entsetzen vor einer solchen Gefahr, Scham und Reue ergriff sie allesammt, daß sie die Ursache ihrer Armuth, ihres Unmuths so lange überall gesucht, nur nicht in der Lust an einem so gefährlichen Getränk; daß sie einer so verderblichen Gewohnheit, einer so schimpflichen Knechtschaft so lange gedient hatten. Mit tausend Fragen bestürmten sie nun den Fremden. Alle schienen bereit, alles zu thun, um sich der drohenden Gefahr der Verarmung wo möglich zu entziehen, eine so gefährliche Gewohnheit zu verlassen, sich aus der Gewalt eines so trügerischen Feindes los zu machen.

Indeß war es bereits spät Abends geworden, der Fremde hielt es nicht für möglich, nicht einmal für nützlich, die Unterredung über einen so wichtigen Gegenstand noch in dieser Nacht zu vollenden. Es freut mich herzlich, sprach er, euch zu einer guten Sache so bereit zu finden. Aber laßt uns auch darin nichts übereilen. Es möchte euch morgen leid sein, was ihr in dieser Nacht noch beschlösset, ohne vielleicht noch für euch selbst hinlänglich überzeugt zu sein. Legt euch nun im Namen des Herrn, unsres Gottes, der euch zu eurem Vorhaben gnädig sein wird, schlafen, gehet dann für euch selbst unsre heutige Berechnung noch einmal durch, und findet ihr, daß es sich so hält, oder daß die Lust des Branntweins euch doch den Verlust der besten Kräfte eures Vermögens zu Wege bringt, so bin ich bereit, morgen mit euch weiter zu reden, und, so Gott will, euch gründlich zu helfen. Unsre Rechnung ging auf dreißig tausend Thaler Capitalverlust für eure 50 Haushaltungen in 30 Jahren, und 23,050 Thlr. Verlust an Zinsen; wovon, wenn wir den Verbrauch der 20 Bauerwirthschaften dem der 30 andern

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Friedrich Liebetrut: Nutzen und Schaden des Branntweintrinkens. L. Oehmigke, Berlin 1838, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Nutzen_und_Schaden_des_Branntweintrinkens.pdf/15&oldid=- (Version vom 1.8.2018)