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wohl bei Gelegenheit ein Glas Bier, zum Branntweintrinken aber kamen diese noch selten einmal.

Fr.: Gut, ich sehe, daß ihr darin übereinstimmt, daß vor 30 Jahren nur ein Fünftel des Branntweins getrunken wurde, den ihr jetzt verbraucht. Dieß mag euch insofern trösten, als ihr sehet, daß wenigstens vier Fünftel eures jetzigen Verbrauchs überflüssig sind. Nun aber laßt uns unsere Rechnung umkehren, und fragen, wie wird die Sache stehen, wenn ihr den Dieb noch 30 Jahr in eurem Hause und Herzen laßt? Seit 30 Jahren hat er euch so betrogen, und so zu sagen die Hände gebunden, daß er euch jetzt jährlich fünf mal so viel nehmen darf, als damals. Fahrt ihr nun so fort, so können noch manche von euch erleben, wie ihr binnen weniger als 30 Jahren mit euren Kindern noch fünf mal mehr brauchen werdet, als jetzt. Vor 30 Jahren brauchtet ihr kaum 1000 Quart im Jahre, jetzt habt ihr fünf tausend nöthig, dann werdet ihr 25,000 brauchen, wenn nicht viele schon vor Jammer und Elend zu Grunde gegangen sind. Dabei wäret ihr vor 30 Jahren noch frei und rüstig, es würde euch sonderbar vorgekommen sein, wenn man euch damals hätte sagen wollen, daß der Branntwein euch bezwingen, euch in 30 Jahren zur täglichen Nothdurft werden würde. So glaubt dann nicht, daß euer Feind jetzt inne halten, euch nicht noch fünf mal ärger betrügen und zu Schanden machen werde, wo ihr nichts thut als klagen, und ihm seinen Willen laßt, nachdem er euch fast zu seinen Knechten gemacht hat, euch Hände und Sinne gebunden hält.

Fünf mal mehr Branntwein als jetzt, fünf mal mehr Säufer, Müßiggänger, Armen- und Gemeindelasten, und dabei nicht Verbeßrung, sondern Verschlechterung der Ackerwirthschaft und der Einnahme: stellt euch dieß vor, um vor einer Zukunft zu erschrecken, die begierig auf euch und eure Kinder wartet! Und damit ihr ja nicht zweifelt, daß ihr dieser schrecklichen Zukunft mit raschen Schritten entgegengehet, so höret noch, daß andre Völker schon diese Stufe des Verderbens erreicht haben. Das Königreich Schweden hat nur ungefähr ein Fünftel so viel Einwohner, als euer Vaterland; und doch wird nach den genauesten Berechnungen dort beinahe schon so viel Branntwein verbraucht, als vielleicht in unserm Vaterlande. Nach jener Berechnung nimmt man an, daß in jenem Lande jährlich 60 Quart Branntwein auf jeden Kopf zu rechnen sind, so daß hiernach eine Gemeinde, wie die eurige, schon 15,000 Quart im Jahre brauchen

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Friedrich Liebetrut: Nutzen und Schaden des Branntweintrinkens. L. Oehmigke, Berlin 1838, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Nutzen_und_Schaden_des_Branntweintrinkens.pdf/14&oldid=- (Version vom 1.8.2018)