Seite:NewtonPrincipien.djvu/420

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Wasser zu der Zeit, wo der Mond es senkt, und senkt es, wenn dieser es hebt. Die Ebbe und Fluth ist alsdann das Resultat des Unterschiedes beider entgegengesetzt wirkenden Kräfte, und daher dann am kleinsten. Da nun die Erfahrung lehrt, dass der Mond eine grössere Wirkung auf das Meer ausübt, als die Sonne; so tritt die grösste Höhe des Wassers beiläufig um die dritte Mondstunde ein. Ausserhalb der Syzygien und Quadraturen müsste die grösste Höhe des Wassers, in Folge der blossen Einwirkung des Mondes, zur dritten Mondstunde, und in Folge der blossen Einwirkung der Sonne, um die dritte Sonnenstunde eintreten. Durch diese zusammengesetzten Einwirkungen wird sie zu einer zwischenliegenden Zeit eintreten, die aber der dritten Mondstunde näher liegt, als der dritten Sonnenstunde. Beim Uebergange des Mondes von den Syzygien zu den Quadraturen, wo die dritte Sonnenstunde der dritten Mondstunde vorangeht, wird auch die grösste Höhe des Wassers der dritten Mondstunde vorangehen, und zwar um eine Zwischenzeit, welche ein wenig nach den Octanten des Mondes am grössten ist. Beim Uebergange von den Quadraturen zu den Syzygien findet das Entgegengesetzte statt; die grösste Fluth folgt auf die dritte Mondstunde und zwar nach Zwischenzeiten, welche denjenigen gleich sind, um welche sie ihr vorher voranging.

Dies sind die Gesetze der Ebbe und Fluth in den freien Meeren. An den Mündungen der Flüsse aber gelangen, unter übrigens gleichen Umständen, die grössten Fluthen später zur Spitze. Die Wirkungen beider Gestirne sind von ihren Abständen von der Erde abhängig; in kleineren Abständen bringen sie nämlich grössere, in grösseren kleinere Wirkungen hervor, und zwar stehen die letzteren im dreifachen Verhältniss ihrer scheinbaren Durchmesser. Da nun die Sonne sich während des Winters in ihrer Erdnähe befindet, so wirkt sie stärker auf das Meer und daher sind (unter sonst gleichen Umständen) die Fluthen der Syzygien etwas grösser, die Fluthen der Quadraturen etwas kleiner im Winter als im Sommer. Der Mond kommt jeden Monat in seine Erdnähe, und daher sind alsdann die Fluthen grösser, als 15 Tage vor- oder nachher, wo er sich in seiner Erdferne befindet. Durch diese beiden Ursachen wird bewirkt, dass in zwei benachbarten Syzygien die beiden grössten Fluthen nicht genau auf einander folgen.

Die Wirkungen beider Gestirne hängen auch von ihrer Declination, oder ihrem Abstande vom Aequator ab. Befände sich nämlich das Gestirn im Pole, so würde es die einzelnen Theile des Wassers auf constante Weise anziehen, ohne dass seine Wirkung grösser oder kleiner würde und folglich würde es keine wechselnde Bewegung hervorbringen. Entfernen sich also diese Gestirne vom Aequator nach den Polen hin, so müssen ihre Wirkungen allmählig schwächer werden und daher in den Syzygien der Solstitien kleinere Fluthen verursachen, als in den Syzygien der Aequinoctien. In den Quadraturen der Solstitien hingegen müssen die Fluthen grösser sein, als in den Quadraturen der Aequinoctien; weil die Wirkungen des Mondes, welcher sich alsdann im

Empfohlene Zitierweise:
Isaac Newton: Mathematische Principien der Naturlehre. Robert Oppenheim, Berlin 1872, Seite 412. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:NewtonPrincipien.djvu/420&oldid=- (Version vom 1.8.2018)