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werden, welche Kraft ich Centripetalkraft nenne; so würden sie längs einer geraden Linie mit gleichförmiger Bewegung fortgehen. Ein Projectil würde, wenn es von der Schwerkraft befreit wäre, nicht zur Erde abgelenkt werden, sondern gradlinig gegen den Himmel fortschreiten und zwar mit gleichförmiger Bewegung, wenn nur der Widerstand der Luft aufgehoben wäre. Durch die Schwere wird es vom gradlinigen Laufe abgezogen und beständig gegen die Erde gelenkt, und zwar stärker oder schwächer nach Verhältniss seines Gewichtes und der Geschwindigkeit seiner Bewegung. Je kleiner sein Gewicht nach Verhältniss der Menge der Materie, und je grösser die Geschwindigkeit ist, mit welcher es fortgeworfen wird; desto weniger wird es vom gradlinigen Wege abweichen und desto länger ihn fortsetzen. Wenn eine Bleikugel mit gegebener Geschwindigkeit längs einer horizontalen Linie von der Spitze eines Berges fortgeschossen wird und auf einer krummen Linie 2 Meilen weit fortgeht, ehe sie auf die Erde fällt; so würde sie mit der doppelten Geschwindigkeit etwa doppelt so weit, mit 10facher etwa 10 mal so weit fortgehen, wenn nur der Widerstand der Luft aufgehoben wäre. Durch Vergrösserung der Geschwindigkeit könnte nach Belieben die Entfernung in welche sie geworfen wird, vergrössert und die Krümmung der beschriebenen Linien vermindert werden; dergestalt, dass sie endlich erst in einer Entfernung von 10°, oder 30° oder 90° niederfiele, oder auch um die ganze Erde herumliefe, oder endlich gen Himmel fortginge und diese abweichende Bewegung in’s Unendliche fortsetzte. Eben so wie das Projectil in eine Bahn gebracht werden und so die ganze Erde umlaufen könnte, kann auch der Mond entweder durch die Schwerkraft, wenn er nur schwer ist, oder durch eine andere ihn gegen die Erde drängende Kraft stets vom geradlinigen Wege zur Erde hingezogen und in seine Bahn gebogen werden. Ohne eine solche Kraft kann er nicht in derselben erhalten werden. Diese Kraft würde ferner, wenn sie angemessen kleiner wäre, ihn nicht stark genug vom geradlinigen Wege ablenken, hingegen, wenn sie zu gross wäre, ihn mehr als hinreichend zur Erde ablenken und gegen diese hinführen. Es ist daher nothwendig, dass sie gerade von der richtigen Grösse sei. Aufgabe der Mathematik ist es, die Kraft zu finden, durch welche ein Körper in einer gegebenen Bahn und mit gegebener Geschwindigkeit erhalten werden könne, und umgekehrt, den krummlinigen Weg zu finden, auf welchen ein von einem gegebenen Orte und mit gegebener Geschwindigkeit ausgegangener Körper durch eine gegebene Kraft abgelenkt wird.

Die Grösse der Centripetalkraft ist von dreierlei Art: absolut, beschleunigend und bewegend.

Erklärung 6. Die absolute Grösse der Centripetalkraft ist das grössere oder kleinere Maass derselben, nach Verhältniss der wirkenden Ursache, welche vom Mittelpunkte
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Isaac Newton: Mathematische Principien der Naturlehre. Robert Oppenheim, Berlin 1872, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:NewtonPrincipien.djvu/31&oldid=- (Version vom 23.6.2018)