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wehmüthigem Blicke nach in die dunkle Gruft, die alles Gute und Edle uns raubt und es wegnimmt vor unsern Augen, daß es nicht mehr gesehen wird im Lande der Lebenden.

Doch nein, er ist nicht ganz geschieden, der ist uns nicht geraubt, er ist noch unser. Wie sein besserer Theil in einer Welt lebt, wo ein höheres und helleres Licht dem Forschergeiste aufgeht, so bleibt uns auch, was er erstrebt, gewirkt, gethan, so wird sein Bild uns bleiben. Verklären wird es in uns die treue freundliche Lebensgefährtin, Erinnerung, die jeden Flecken irdischer Mängel verwischt und mit inniger Liebe die bleibenden, unauslöschlichen, dem wahren Wesen angehörenden Züge zu einem schönen Ganzen vereinigt.

Geleitet von ihr will auch ich jetzt versuchen, das edle Bild des Mannes, der von uns schied, Ihnen vor die Seele zu führen, geehrteste Herren und theuere Freunde. Wenn ich mich auch zu schwach fühle, dieses auf eine so würdige Weise zu thun, wie es der hohe Gegenstand verlangt, so ist es mir doch eine theure unabweisbare Pflicht, mir, der ich das Glück hatte, mit dem Hochverehrten und Geliebten eine Reihe von Jahren in amtlicher und persönlicher Verbindung zu stehen und nachher noch bis ans Ende seines Lebens diese Verbindung fortzusetzen.

Der erste Zug bei der Entwerfung eines Characterbildes gehört der Menschheit. Denn wir können Alles seyn, klug, gelehrt, mächtig, originell, berühmt und gepriesen – fehlt es uns an dem, was den Menschen, der ein Ebenbild der Gottheit seyn und immer mehr werden soll, zum wahren Menschen macht, fehlt es uns an geistiger und sittlicher Durchbildung, an Humanität im vollen Sinne dieses Wortes, dann fehlt uns die köstlichste Perle in der Krone unseres Lebens. Unser Worbs besaß

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Joachim Leopold Haupt: Das Bild unsers Worbs. Neues Lausitzisches Magazin, Band XII. Görlitz: G. Heinze u. Comp., 1834, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:NLM_1834_Seite_003.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)