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die Befangenheit der Älpler überwinden kann. Geldspenden, meint er, führen zu keinem Ziel, das Auftischen von Freibier und Wein dürfe nur mit Maß angewendet werden. Und nun zeigt er, wie man die Leute in eine gemütliche, heitere und darum gesprächige und auch sanglustige Stimmung versetzen kann. Auch Prof. Dr. Lessiak, der Leiter des kärntnischen Ausschusses, hat selbst in den verschiedensten Tälern seines Heimatslandes über 500 Lieder aufgezeichnet. Mitglieder einzelner Ausschüsse sind auch tüchtige Volksliedsänger. Außer Pommer noch Kronfuß und Götz, im Tiroler Ausschuß Lucerna und Kohl, in Kärnten K. Liebleitner, in Oberösterreich J. Kränzl.

Das ist bei uns leider nicht der Fall. Bei der bunten Vielgestaltigkeit der Mundarten in Deutschböhmen wäre auch niemand in der Lage, mit den Landleuten der verschiedenen Gaue in ihrer Mundart zu verkehren. Ich beherrsche diese nur soweit theoretisch, daß ich (mir schriftlich vorliegende) Dialektlieder verstehe. Von Anfang an haben wir darum den Grundsatz gehabt, für einzelne abgerundete Stammesgebiete je einen Leiter der Sammeltätigkeit auszuwählen. Am besten bewährt haben sich bisher reifere Studenten, Germanisten, die also fachmännisch vorgebildet sind, die in dem betreffenden Gebiet geboren und aufgewachsen und darum mit der Mundart, sowie mit den örtlichen und persönlichen Verhältnissen der Heimat völlig vertraut sind. Manche haben selbst tüchtige musikalische Kenntnisse; andere bedienen sich zur Aufzeichnung der Singweisen heimischer Berufsmusiker. Da diese Studenten auch meine Hörer sind, so hatte und habe ich Gelegenheit, ihre Eignung zu dieser schwierigen, aber dankbaren Aufgabe kennen zu lernen. Und da sie mir die Ergebnisse persönlich bringen, so bleibe ich mit ihnen in ständigem, gegenseitig anregendem Verkehr. Das ist freilich, wird man meinen, etwas gar zu bequem. Aber ich habe weder in der früheren, noch in der gegenwärtigen Leitung der Sammeltätigkeit die kleine Mühe gescheut, in verschiedene Gebiete zu reisen und mich mit den Gewährsleuten mündlich in Verbindung zu setzen. So war ich im Herbst 1907 in Mies und im Egerland, im verflossenen September im östlichen Böhmen, im Isergebirge, im Braunauer Ländchen und im Adlergebirge. Hier habe ich hauptsächlich den Zweck verfolgt, zu den zahlreichen wertvollen Texten, die wir aus früherer Zeit unserm Mitglied Anton Kahler, Beamten des deutschen Landeskulturrats, und dem gegenwärtig in Innsbruck wirkenden Prof. Dr. J. Hoffmann verdanken, die noch fehlenden Singweisen zu erlangen. Ich habe hier hauptsächlich mit musikkundigen Lehrern, Kapellmeistern und Regens-Chori verkehrt und überall die Zusage baldiger Erfüllung meiner Wünsche erhalten. Tatsächlich sind inzwischen schon ungefähr 100 Singweisen eingetroffen. Da wir die Schönhengster und die Iglauer Sprachinsel, deren in Böhmen liegende Teile volkskundlich zu Mähren gehören, mit Zustimmung des Ministeriums dem Ausschuß für Mähren und Schlesien abgetreten haben, so ist also der Kreis um ganz Deutschböhmen geschlossen und die Einleitung der Sammeltätigkeit durchgeführt. Wir hoffen in den nächsten zwei Jahren noch viel einzuheimsen, aber der Grundstock ist bereits ungemein stattlich.

Wie soll nun diese Stoffmasse gesichtet, bearbeitet und herausgegeben werden? Hier harren des Ausschusses noch schwere Aufgaben. Die erste Vorarbeit, womit wir im nächsten Jahr beginnen wollen, ist – um eine Übersicht zu gewinnen – eine Inventarisierung des Bestandes der uns handschriftlich vorliegenden Lieder und Liederbücher, sowohl unseres Ausschusses, wie der Gesellschaft, des Vereins für Geschichte und anderer Archive, ferner