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3. die Nahrung (charakteristische Speisen in bestimmten Gegenden, zu bestimmten Zeiten, das volkstümliche Gebäck u. a.).

Ich habe im Vorhergehenden versucht, das Wesen der Volkskunde aus dem Material, wie es in den verschiedenen volkskundlichen Zeitschriften vorliegt, zu erklären und als das ausschlaggebende die assoziative Denkweise des Volkes gefunden. Alles, was individuelle und reflektierende Geistesarbeit bedingt, ist demnach von der Volkskunde auszuschließen; sobald wir diese Erzeugnisse mit hereinziehen, steuern wir ins Uferlose. Auf alle Fälle haben wir es bei der Volkskunde nur mit Erzeugnissen psychischer Vorgänge zu tun. Auf Grund dieser Tatsache scheint mir die hier vorgeschlagene Gliederung des Materials nicht nur wünschenswert, sondern geradezu notwendig. Selbstverständlich beziehen sich die Ausführungen nur auf einen Teil des wissenschaftlichen Betriebs der Volkskunde, auf die Begrenzung und Gruppierung des Materials. Auf die geschichtliche und psychologische Erklärung der Erzeugnisse des Volksgeistes, die der wissenschaftliche Betrieb ebenfalls erheischt und die stammheitliche Volkskunde zur vergleichenden macht, kann ich hier ebenso wenig eingehen wie auf die Aufgaben, die der Volkskunde für das praktische, besonders das soziale Leben der Gegenwart erwachsen. Dagegen möchte ich die Methode volkskundlicher Forschung, soweit sie das Material betrifft, noch kurz berühren.

Die meisten Arbeiten, die auf volkskundlichem Gebiete in den letzten Jahren veröffentlicht worden sind, sind Stoffsammlungen, die sich auf ein territoriales Gebiet beschränken und die nur das bringen, was gegenwärtig noch im Volke fortlebt. Zu solchen einfachen Sammlungen gehört keine wissenschaftliche Methode, sondern nur Treue in der Wiedergabe. Etwas anders liegt es bei Werken, die innerhalb eines örtlich abgegrenzten Gebietes bestimmte Erzeugnisse des Volkes: Sagen, Sitten und Gebräuche, Rätsel u. dgl., abschließend geben wollen. Hier wird m. E. meist zu voreilig veröffentlicht. Zweierlei vermißt man bei diesen Publikationen nur zu oft: 1. die Verfolgung der örtlichen Ausdehnung der Zeugnisse und 2. die Rückverfolgung der Zeugnisse in der Zeit und ihres Wandels innerhalb derselben.

Gewisse Erzeugnisse der Volksseele sind allgemein; sie erstrecken sich über ganze Provinzen, ganze Länder und lassen sich auch bei andern Völkern in ähnlicher Verbreitung nachweisen. Andre dagegen sind auf engere Kreise, auf Teile eines Landes, einzelne Täler, ja zuweilen sogar auf einzelne Ortschaften beschränkt. Hier und da können wir ein sprunghaftes Auftauchen der Zeugnisse wahrnehmen: sie begegnen in ganz verschiedenen Gegenden, zwischen denen sich keine Spur beobachten läßt, die sie als Überbleibsel einer früher zusammenhängenden Kette erklären könnte. Dabei ist es von ganz besonderer Wichtigkeit, wenn sich Erzeugnisse von verschiedenen Gebieten der Volkskunde in gleicher territorialer Entwicklung verfolgen lassen, wenn sich z. B. feststellen läßt, daß die Grenzen des Dialektes mit den Grenzen gewisser Haus-, Gerät- und Schmucktypen oder bestimmter Sitten und Gebräuche, ja selbst mit denen von Sagen und Volksliedern zusammenfallen. Die Erfahrung hat gelehrt – ich verweise auf die Beobachtungen von Gallée, Rhamm u. a. –, daß man durch solche vergleichende Methoden zu recht bedeutenden Ergebnissen kommen kann, durch welche die Volkskunde zugleich in den Dienst der vaterländischen Ethnographie und Geschichte tritt. Deshalb ist, was man leider in unsern volkskundlichen Sammelwerken fast durchweg vermißt, eine Verfolgung des Ausbreitungsgebietes volkskundlicher Zeugnisse unbedingt notwendig. Die Ergebnisse lassen sich am übersichtlichsten darstellen durch eine Karte, aus der die Grenzen der Zeugnisse sofort ersichtlich sind.

Ein weiterer Fehler, dem man bei volkskundlicher Forschung häufig begegnet, ist die Beschränkung des Materials auf die Zeugnisse der Gegenwart. Jedes einzelne Zeugnis der Volksseele ist ein psychisches und historisches Produkt. Wie alles dem