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da es in die Hände Tausender kommt, die Interesse für die wissenschaftliche und praktische Volkskunde haben. Von der Unterstützung, die die Mitteilungen von seiten der Einzelvereine erfahren sollten, machte er es abhängig, ob diese ihre Aufgabe erfüllen könnten. Sind wir ehrlich: diese Unterstützung ist der Leitung des Verbandes bisher nicht zuteil geworden. Denn Fragen, die Wissenschaft und praktische Arbeit läutern und fördern könnten, sind in den erschienenen Heften nicht angeschnitten worden; was sie bringen, ist referierender Natur, Berichte, die sich die Leitung zum großen Teil hat zusammenholen müssen, um die Spalten des Organs zu füllen. Sollen die Mitteilungen ihre Aufgabe lösen, so müssen uns unsre Mitglieder mit Beiträgen beschenken, in denen zu den Aufgaben und zur Methode der Volkskunde Stellung genommen wird, aus denen wir nach praktischen Erfahrungen hören, wie und durch wen am besten volkskundlicher Stoff eingeerntet wird, wo neue Quellen, namentlich für die geschichtliche Entwicklung des Volkstums, zu finden sind u. ähnl. Der anregende Teil muß die Hefte der Mitteilungen beherrschen, der referierende muß mehr in den Hintergrund treten.

Seit der Diskussion, die sich im 1. und 2. Bande der Hessischen Blätter für Volkskunde zwischen Strack und Hoffmann-Krayer entwickelt hat, ist die Frage über das Wesen der Volkskunde nicht wieder eingehender erörtert worden. In diesem Streite spielte die Bedeutung des Wortes „Volk“ in Volkskunde eine wesentliche Rolle. Hoffmann-Krayer verstand unter Volk in erster Linie das „vulgus“, die niedre, primitiv denkende, von wenig Individualitäten durchdrungene Menge. Diese sollte vor allem den Stoff zur Volkskunde liefern. Demgegenüber hat Strack mit vollem Rechte hervorgehoben, daß auch in den höheren Schichten der Bevölkerung, die man nicht unter das vulgus zu rechnen pflegt, noch viel altes Volkstum fortlebt, das wir entschieden als volkskundliches Material mit verwerten müssen. Nach Strack (Hess. Blätter II, 71 f.) hat die Volkskunde zu ihrem Gegenstand nicht das vulgus, sondern das Volk (bezw. den Stamm, Gauverband u. ähnl. Gruppen), insofern es als solches, als natürlich gewordene Gemeinschaft, geistig schaffend und Lebensformen erzeugend uns entgegentritt. Als Aufgabe der Volkskunde bezeichnet er es, die geistigen Erzeugnisse und die Formen dieses durch Sitte gebundenen Gemeinschaftslebens zu erforschen und vergleichend ihre Gesetzmäßigkeit zu erkennen. In seiner reinsten Ausprägung trete uns dies Volkstum bei dem Bauernstande entgegen, weshalb gerade diesem die große Bedeutung in der Volkskunde zukomme. Strack versteht also unter Volk in Volkskunde die natio, unter der Aufgabe der Volkskunde die Beschäftigung mit den geistigen Erzeugnissen des Kollektivgeistes der natio, die im Gegensatze zu den individuellen Erzeugnissen einzelner Personen stehen. Ganz kann ich auch dieser Definition von Volkskunde nicht beistimmen. Zu den geistigen Erzeugnissen des durch die Sitte gebundenen Gemeinschaftslebens müßten wir auch das Rittertum, das Gildenwesen, die modernen Turn-, Sing- und andre Vereine rechnen, die sicher kein Forscher der Volkskunde in sein Gebiet ziehen will. Man werfe nicht ein, daß dies historische Gebilde sind, die die Zeit verweht hat oder später oder früher verwehen wird, die also zum Teil für die Gegenwart keine Bedeutung haben. Wollen wir das Volkstum eines Volkes in seinem ganzen Umfange erforschen, dann dürfen wir nicht, wie es Strack zu tun scheint, ausschließlich mit den Erscheinungen des Volkslebens der Gegenwart rechnen, sondern mit dem gesamten Volksleben, soweit wir es geschichtlich zurückverfolgen können. Je weiter wir aber in der Zeit zurückgehen, um so mehr schwindet dann auch der Bauernstand als Repräsentant des Teiles im Volke, der den Kollektivgeist vertritt. Für die Gegenwart mag er als solcher gelten, für das Mittelalter nicht. Und was das Aufkommen und Verschwinden der Erscheinungen betrifft, so wäre auch dies kein Grund, sie aus dem Begriffe der Volkskunde zu bannen. Trachten, Hausformen,