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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 18

Willens selbst hinstellt, so ist das doch gewiß nichts andres als das, was unsre jüngsten Ästhetiker schüchtern und zaghaft mit andern Worten zu formulieren versuchen: Musik als Ausdruck! Wahrscheinlich ist die ungeheuere Größe des Schopenhauerschen Gedankens: die Zurückführung des ganzen Seins auf die beiden Begriffe des Willens (natura naturans) und der Vorstellung (natura naturata), der Grund dafür, daß seine Definition in diesem Sonderfall nicht gleich ihrer ganzen Tragweite nach gewürdigt wurde. Freilich laufen in Schopenhauers der Musik gewidmeten Kapiteln sonderbare Verirrungen mit unter, so die Vergleichung des Grundtons mit dem Mineralreich, der Terz mit den Pflanzen, der Quinte mit den Tieren, der Oktave (Melodiestimme) mit dem Menschen, ferner die Annahme der feingegliederten Beweglichkeit nur für die Oberstimmen, als wenn es keine Polyphonie gäbe! Der Gedanke selbst aber steht bei Schopenhauer wie in Stein gehauen da, und Hanslick selbst wie seine Parteigänger (von denen einer der bedeutendsten Ottokar Hostinsky ist: „Das Musikalisch-Schöne“, 1877) und Gegner (Ad. Kullak: „Das Musikalisch-Schöne“, 1858; Graf P. Laurencin: „Hanslicks Lehre vom Musikalisch-Schönen“; Fr. Stade: „Vom Musikalisch-Schönen“; A. W. Ambros: „Die Grenzen der Musik und Poesie“, 1855) hätten nichts Besseres thun können, als denselben aus seiner harten Schale herauszulösen und in fruchtbaren Boden zu pflanzen. Merkwürdigerweise hat das auch Karl Fuchs in seiner Dissertation „Präliminarien zu einer Kritik der Tonkunst“ (1871) übersehen, obgleich diese Schrift speziell von Schopenhauer ausgeht. Schopenhauer bezeichnet ausdrücklich (Bd. 1, S. 312) die Fähigkeit der Musik, alle Regungen unsres innersten Wesens wiederzugeben, „aber ganz ohne die Wirklichkeit und fern von ihrer Qual“, und führt darauf das unaussprechlich Innige der Musik zurück; er erklärt auch vollständig befriedigend, warum das Lächerliche vom Gebiet der Musik völlig ausgeschlossen ist, weil nämlich ihr Objekt nicht die Vorstellung ist, in Hinsicht auf welche Täuschung und Lächerlichkeit allein möglich sind (S. 309). Die Musik ist demnach eine im höchsten Grade allgemeine Sprache, die sich sogar zur Allgemeinheit der Begriffe ungefähr verhält wie diese zu den einzelnen Dingen. Ihre Allgemeinheit ist aber keineswegs wie jene leere Allgemeinheit der Abstraktion etc. Schopenhauers Auffassung des Verhältnisses von Ton und Wort stimmt ganz und gar nicht zu der der Wagnerianer, die sich so gern auf Schopenhauer berufen. Er weiß nichts von einem Bedürfnis der Musik, sich dem Worte zu vermählen, ist im Gegenteil der Meinung, daß solche einzelne Bilder des Menschenlebens, der allgemeinen Sprache der Musik untergelegt, nie mit durchgängiger Notwendigkeit ihr verbunden sind (Bd. 1, S. 310), und (S. 309) daß der Text die untergeordnete Stellung nie verlassen sollte, um sich zur Hauptsache und die Musik zum bloßen Mittel des Ausdrucks zu machen, „als welches ein großer Mißgriff und eine arge Verkehrtheit ist“. Welcher Kontrast dieser Auffassung der hohen Bedeutung der absoluten Musik und der Ed. Grells, dessen „Aufsätze und Gutachten“ Heinr. Bellermann herausgab (1887): Zu einem musikalischen Gedanken gehören drei Dinge: 1) Wort, 2) Harmonie und 3) Rhythmus. Von diesen dreien gibt das Wort nicht nur die Seele, den Inhalt des Gegenstandes, sondern auch durch seine Vokale Veranlassung zur Harmonie und durch seine Konsonanten Veranlassung zum Rhythmus! (eine Verteidigung der Instrumentalmusik gegen Grell führte mit Glück Heinrich Ordenstein, 1888). So gibt also Schopenhauer zuerst eine befriedigende Definition des Wesens der Musik als direkten Ausflusses des Seelenlebens des Komponisten (Willensemanation), während Lotze den Schlüssel für ihre Wirkungen gibt (Miterleben, sich eins fühlen mit dem Willen des Komponisten). Diese beiden Grundpfeiler dürften dem dereinstigen Ausbau der Musikästhetik festen Halt geben; sie erklären das Wahre, Lebensvolle, Packende der Musik (Musik als Ausdruck), gegenüber welchem das Schöne, dessen Erklärung die formalistischen Ästhetiker sich einseitig zuwenden, eine zwar unentbehrliche, aber auf alle Fälle eine Begleiterscheinung ist (Musik als schönes Spiel mit Tönen). Das aber, worauf die Gegner Hanslicks sich steifen, daß Musik etwas Vorgestelltes ausdrücken solle, ist erst das Dritte, ein nur Mögliches, niemals Nötiges: das Charakteristische der Musik kommt erst zur Geltung, wenn der Komponist nicht sein Empfinden ausspricht, sondern aus der Seele eines vorgestellten Objektes heraus redet und auch vom Hörer verlangt, daß er sich in dieses hinein versetze (darstellende Musik).

Muskelbewegung, Einwirkung auf den Stoffwechsel, s. den Bericht: Balneologische Gesellschaft.

Muster- und Modellschutz. Wenn auch im Laufe der Zeit Vorschläge bezüglich der Abänderung des deutschen Gesetzes vom 11. Jan. 1876, betreffend das Urheberrecht an Mustern und Modellen, laut geworden sind, so sind dieselben doch erheblich geringer an Zahl und Bedeutung als diejenigen, welche in Bezug auf die Neuorganisation des deutschen Patent- u. Markenschutzes gemacht worden sind. Ein sehr weit gehender Vorschlag, welcher für den Musterschutz die Einführung des Vorprüfungsverfahrens fordert, dürfte kaum eine ernste Beachtung finden. Gesetze von besonderer Wichtigkeit sind in andern Ländern nicht entstanden.

Nach den im „Reichsanzeiger“ erlassenen Bekanntmachungen wurden in Deutschland an Mustern und Modellen geschützt im Jahre:

1876 12759, darunter 2660 plastische und 10099 Flächenmuster
1877 53468 8343 45125
1878 50032 9679 40353
1879 49811 12560 37251
1880 47640 13856 33784
1881 51078 14943 36135
1882 49605 15088 34517
1883 54257 16248 38009
1884 67889 22124 45765
1885 73121 23319 49802
1886 71504 22020 49484
1887 73130 24175 48955
1888 80705 23371 57334
1889 76322 23926 52396
Sa. 811321, darunter 232312 plastische u. 579009 Flächenmuster.

Von diesen eingetragenen Mustern waren 4605 von Ausländern niedergelegt (von Österreichern 3398, Franzosen 857, Engländern 217, Spaniern 21, Nordamerikanern 19, Belgiern 72, Norwegern 10, Schweden 7, Italienern 2, Schweizern 2). Vgl. Nützlichkeitsmuster.

Mutkurow, S., bulgar. Minister, legte im Februar 1891 das Kriegsministerium nieder und wurde zum General ernannt, starb aber schon 15. März in Neapel.

Mycielski, Georg, Graf, poln. Geschichtsforscher und Publizist, geb. 30. Mai 1856 zu Krakau, Dozent an der Wiener Universität, seit 1882 Professor der polnischen Geschichte an der Krakauer Universität und Herausgeber der gediegenen Monatsschrift „Przeglad Polski“. Er schrieb: „Die Kandidatur des Hosius für das Erzbistum Ermeland 1548 und 1549“

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 18. Bibliographisches Institut, Leipzig 1891, Seite 632. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b18_s0648.jpg&oldid=- (Version vom 28.8.2023)