Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Neunter Band | |
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Massen anderer zum Schiffbau, zur Rhederei und zum Fischfang dienenden Produkte nehmen den Weg hierher, denn jene Gewerbe sind hier stets blühend geblieben. Für Mehl zur Versorgung der lappischen und norwegischen Küsten ist Archangel ebenfalls ein Hauptstapelort. Die hiesige Einfuhr besteht meist in Colonialwaaren und englischen Fabrikaten. Sie ist fast ganz in den Händen einiger hier etablirten englischen Häuser, welche die Uralprovinzen und Sibirien, auch die Küsten Norwegens damit versorgen, ja selbst von hier aus nach den Sandwichsinseln und der Nordwestküste von Amerika Absatz suchen. Von 300 größern Seeschiffen, die jährlich hier expedirt werden, sind drei Viertheile englische. Man schätzt den Gesammtwerth der Ausfuhr zu mehr als 12 Millionen, den der Einfuhr auf drittehalb Millionen Rubel.
Archangel ist eine Stadt mittlerer Größe, von fast 2000 Häusern, mit etwa 22,000 Einwohnern. Sie ist hübsch und regelmäßig gebaut, obschon die meisten Häuser, wie auch das Straßenpflaster, nur von Holz sind. Ihre Lage, in flacher Gegend an der Dwina, einige Meilen vom Meere, gibt ihr keine imposante Ansicht. Sie wird in Neustadt und Altstadt geschieden. Jene enthält die zum Theil sehr schön und geschmackvoll aufgeführten Wohnungen der höchsten Provinzialbehörden, der reichsten Kaufleute und Fabrikanten. Gute höhere Lehranstalten (ein Seminar, Gymnasium, Schiffahrtsschule), ferner das kaiserliche Arsenal, das zahlreiche Offizier- und Beamtencorps, und die Menge der hier wohnenden Ausländer, Kaufleute und Fabrikherren bringen ein recht geselliges Leben hervor, und es herrscht ein gebildeterer Ton, als in irgend einer der größern Provinzialstädte des innern Rußlands. Luxus und Lebensverfeinerung haben ihre nördlichste Stätte in Archangel, denn der Ort liegt 4 bis 6 Grad nördlicher als Petersburg, Stockholm und Christiania. Im Sommer gibt eine wandernde Truppe zuweilen Theater-Vorstellungen, und Concerte sind gewöhnlich. Im harten Winter aber ist’s hier sehr still, denn viele Reiche wohnen dann in Petersburg oder Moskau, und das gesellige Leben zieht sich in enge Kreise zurück.
Schon in einem früheren Bande des Universums (IV. Bd., Seite 31.) beschrieb ich diese erste Seehandelsstadt Frankreichs. Das anmuthige Bild zeigt sie uns jetzt von einer andern Seite. Es ist die schönste Partie von Havre. Eine unabsehliche Reihe palastähnlicher Wohnungen streckt sich an den schönen Kayen hin, vor denen die Seine, hier zum stolzen, mehre tausend Fuß breiten Strome geworden, ihre Wogen dem Meere zuwälzt.
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Neunter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Philadelphia 1842, Seite 130. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_9._Band_1842.djvu/138&oldid=- (Version vom 1.1.2025)