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CCCVII. Peking.




Mein Buch ist wie die Zeit. Wie hier der Augenblick den Augenblick fortstößt, so verdrängt dort ein Bild das andere, und ehe das Auge eins recht erfaßt, ist es verschwunden wie aufgelöster Nebel. Leser und ich irren durch die Welt wie an der Hand des ewigen Juden.

Sidney und Peking! – Kind und Greis, Wiege und Sarg, Aufgang und Untergang können keine vollkommneren Gegensätze seyn, als es die Hauptstadt Australiens und die des himmlischen Centralreichs sind. Wenn Australien ein Bild der Beweglichkeit und des Fortschritts ist, so kann man China mit Loth’s Frau vergleichen, die, zur Salzsäule geworden, in Ewigkeit nur rückwärts schauen kann.

In einem frühern Theile des Universums (VII. Bd., Seite 17) lernten wir Canton kennen. Eine Welthandelsstadt, welche, wie Canton, seit Jahrhunderten in täglichem Verkehr mit fremden Nationen steht, wird kaum das Bild des Landes und des Volkes treu bewahrt haben. Das Land selbst müssen wir durchwandern, um zu einem klaren Begriffe darüber zu gelangen. Nehmen wir an, wie reiseten über Kiachta nach Peking. Vor uns liegen die weiten Steppen der Mongolei, das Bollwerk des Reichs gegen Rußland, und nach 10wöchentlichem, beschwerlichem Ritt gelangen wir zum ersten Ort im eigentlichen China. Es ist der Flecken Nordian, 6 Stunden außerhalb der großen Mauer. Statt Sandwüsten und Steppen, die so lange unser Auge ermüdeten und verwundeten, sehen wir nun ein vortrefflich angebautes, dicht bevölkertes Land, dessen ursprüngliche Unfruchtbarkeit chinesischer Fleiß längst überwunden hat. Das Gasthaus des Fleckens ist ein großes Gebäude mit Mauern umgeben, die zugleich einen Hof und Garten einschließen. Die Gefälligkeit der Wirthsleute ist ohne Grenzen; die Zimmer sind geräumig; in jedem ist ein schwellendes Sopha, unter dem Backsteincanäle hinlaufen, die es, mittelst Steinkohlenfeuerung, erwärmen. Neugierig beobachten wir die Bevölkerung, die das Bild der Beweglichkeit ist. Emsig verfolgt Jedes seinen Zweck und Beruf. Wir werden bald inne, daß der Handel neben dem Ackerbau, der jeden Zollbreit Land benutzt, hier eine Hauptrolle spielt. Unaufhörlich halten an, oder ziehen vorüber die langen Karavanen, welche auf Kameelen, oder Karren mit Maulthieren bespannt, die Fabrikate Rußlands und Nordchina’s den Völkern im fernen Westen zuführen. Jedes Bedürfniß des Reisenden hat im Gasthause seinen vorausbestimmten, festen Preis. Nichts ist der Willkühr überlassen;

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1840, Seite 128. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_7._Band_1840.djvu/136&oldid=- (Version vom 4.11.2024)