Herman Melville Übersetzt von Rudolph Garrigue: Vier Monate auf den Marquesas-Inseln oder ein Blick auf Polynesisches Leben 2. Theil | |
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was er zu den Weibern sagte, die er ebensowol wie die Männer anredete, aber Lächeln oder Erröthen war die unfehlbare Folge seiner Worte bei allen. Ich bin wirklich geneigt zu glauben, daß Marnoo mit seinem schönen Äußern und gewandten Benehmen ein arger Verführer unter den einfachen Mädchen der Insel war.
Während dieser ganzen Zeit hatte er mich auch nicht einen Augenblick der leisesten Aufmerksamkeit gewürdigt. Er schien in der That meine Gegenwart gar nicht zu bemerken. Ich konnte mir dieses sonderbare Benehmen auf keine Weise erklären. Ich konnte leicht bemerken, daß er unter den Insulanern eine sehr bedeutende Person war; daß er ungewöhnliche Gaben besaß und einen höhern Grad von Kenntnissen hatte, als die Bewohner des Thales. Aus diesen Gründen fürchtete ich sehr, er möge aus einer oder der andern Ursache unfreundlich gegen mich gesinnt sein, und seinen mächtigen Einfluß ausüben, um mir zu schaden.
Er war augenscheinlich kein dauernder Bewohner des Thales, und dennoch, woher konnte er gekommen sein? An allen Seiten waren die Typies von feindlichen[WS 1] Stämmen umgeben, und wie war es denkbar, daß sie ihn so herzlich empfangen könnten, wenn er zu einem derselben gehörte?
Die persönliche Erscheinung des räthselhaften Fremden brachte mich auch in Verlegenheit. Ein untättowirtes Gesicht und ein ungeschorner Scheitel waren Eigenthümlichkeiten,
- ↑ Vorlage: friedlichen. Im englischen Original: „On all sides the Typees were girt in by hostile Tribes, …“
Herman Melville Übersetzt von Rudolph Garrigue: Vier Monate auf den Marquesas-Inseln oder ein Blick auf Polynesisches Leben, 2. Theil. Gustav Mayer, Leipzig 1847, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Melville-Vier_Monate_auf_den_Marquesas-Inseln._Teil_2.djvu/24&oldid=- (Version vom 1.8.2018)