Seite:Melville-Vier Monate auf den Marquesas-Inseln. Teil 2.djvu/105

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Herman Melville Übersetzt von Rudolph Garrigue: Vier Monate auf den Marquesas-Inseln oder ein Blick auf Polynesisches Leben
2. Theil

steckte, fiel das Scheusal schwer zu Boden und würde unfehlbar den Hals gebrochen haben, wenn Kory-Kory nicht das ganze Gewicht desselben mit seinem halbzerschmetterten Rücken aufgefangen und so die Kraft des Falles gebrochen hätte. Nie hatte ich den ehrlichen Kerl in solcher Wuth gesehen. Außer sich sprang er auf, ergriff einen Stock und fing an das arme Bild fürchterlich zu prügeln. In kleinen Zwischenräumen hielt er an, und sprach sehr leidenschaftlich zu ihm, als ob er ihm das Ereigniß vorwürfe. Als seine Wuth sich ein wenig gelegt hatte, kehrte er das Götzenbild auf die profanste Weise nach allen Seiten um, damit ich es genau untersuchen könne. Ich selbst würde nie gewagt haben, mir bei dem Gott so viel Freiheiten herauszunehmen, und ich war über Kory-Kory’s Mangel an Ehrfurcht nicht wenig überrascht.

Diese Anekdote bedarf keines Commentars. Wenn einer aus der untern Klasse der Eingebornen einem ehrwürdigen, verkrüppelten Gotte der Haine solche Verachtung zeigen konnte, so kann man daraus leicht auf den allgemeinen Stand der Religionsbegriffe unter den Leuten schließen. Ich betrachte wirklich die Typies als eine rückwärts gegangene Generation; sie sind in eine religiöse Apathie verfallen und bedürfen einer geistigen Wiederbelebung. Durch langjährige reiche Ernten von Cocosnuß und Brotfrucht sind sie schlaff geworden und haben ihre

Empfohlene Zitierweise:
Herman Melville Übersetzt von Rudolph Garrigue: Vier Monate auf den Marquesas-Inseln oder ein Blick auf Polynesisches Leben, 2. Theil. Gustav Mayer, Leipzig 1847, Seite 99. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Melville-Vier_Monate_auf_den_Marquesas-Inseln._Teil_2.djvu/105&oldid=- (Version vom 1.8.2018)