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Herman Melville Übersetzt von Rudolph Garrigue: Vier Monate auf den Marquesas-Inseln oder ein Blick auf Polynesisches Leben
2. Theil

üppigem tropischen Gesträuch, durch welches der schlanke Stamm der Cocospalme hoch gen Himmel strebte und seine schöngeformte Krone wie einen Fächer von Straußfedern in den lauen Lüften wiegte.

Die Leichtigkeit und Grazie, mit welcher die Mädchen des Thales das Wasser durchschnitten, und ihre Vertrautheit mit dem Element war wahrhaft bewundernswerth. Zuweilen glitten sie dicht unter dem Wasserspiegel hin, ohne sichtliche Bewegung der Hände oder Füße; dann warfen sie sich auf die Seite und schossen durchs Wasser, wobei sie dann und wann ihre schönen Formen enthüllten, wenn sie beim raschen Ausgreifen sich theilweise über die Wasserfläche erhoben; nun tauchten sie bis auf den Grund, nun wieder schossen sie ganz gerade zur Oberfläche herauf.

Ich entsinne mich eines Falles, wo ich mich gerade mitten in eine Schaar dieser Flußnymphen stürzte und im Vertrauen auf meine größere Körperkraft einige von ihnen unter das Wasser zu ziehen versuchte; aber ich bereute bald meine Kühnheit. Die amphibischen jungen Geschöpfe umschwärmten mich wie eine Schaar Delphine, faßten mich bei den Hacken und wirbelten und tauchten mich, bis ich nach den sonderbaren Tönen, die vor meinen Ohren klangen, und nach den übernatürlichen Gesichten, die sich vor meinem Auge bildeten, glaubte, ich befände mich im Reich der Geister. Ich war unter ihnen eben so hülflos wie ein gewichtiger

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Herman Melville Übersetzt von Rudolph Garrigue: Vier Monate auf den Marquesas-Inseln oder ein Blick auf Polynesisches Leben, 2. Theil. Gustav Mayer, Leipzig 1847, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Melville-Vier_Monate_auf_den_Marquesas-Inseln._Teil_2.djvu/10&oldid=- (Version vom 1.8.2018)