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Treibens, die Kunde von der neuen Schule in Rom, von dem jugendlichen Aufschwung, den die deutsche Kunst dort genommen, ihre aufregende und begeisternde Wirkung. Von den jüngeren Künstlern trieb die Sehnsucht bald diesen, bald jenen über die Alpen, und manchen schon hatte Richter scheiden sehen, als auch er, nach mehreren Jahren traurigen Harrens, sich endlich nach Rom aufmachen konnte.

So sehr sich die Wege, die Richter späterhin einschlug, und auf denen er die eigentliche Lösung seiner künstlerischen Lebensaufgabe fand, von der Richtung jener in Rom erwachten Kunst unterschieden, so war sie es doch, die ihn zuerst innerlich befreite. Der poetischen Begeisterung, von der dies neue Kunstleben getragen wurde, gab er sich mit der ganzen Wärme jugendlicher Empfänglichkeit hin. Die Landschaftsmalerei war, wie schon zu Carstens’ Zeit, auch während der Erneuerung der historischen Kunst, die sich damals durch Cornelius und Overbeck vollzog, von dem Gang der geschichtlichen Bewegung nicht ausgeschlossen. Joseph Koch, Carstens’ Freund und Genosse, der noch diese zweite Epoche der deutschen Kunstreform erlebte, hatte der Landschaft im Sinne des historischen Stils zuerst wieder künstlerischen Charakter verliehn. Sie sollte nicht mehr eine gleichgiltige Decoration sein, sondern als der bedeutungsvolle Schauplatz eines grossgearteten Lebens erscheinen; in die landschaftlichen Formen selbst strebte man den imposanten Zug, das Pathos der historischen Kunst zu übertragen. Manches bedeutende Talent, Reinhardt, Karl Fohr und andere schufen in solchem Sinne, und lag auch diese Art der landschaftlichen Auffassung den Neigungen Richter’s ziemlich fern, so empfing er von ihr doch mannigfache künstlerische Anregung. Den nachhaltigsten Einfluss gewann auf ihn Julius Schnorr, dessen landschaftliche Zeichnungen er sich eine Zeit lang zum eigentlichen Studium machte; in ihrer klaren und einfachen Schönheit entsprachen sie seinem künstlerischen Empfinden, wie weniges andere. An mitstrebenden Genossen fehlte es nicht. Eine ganze Schaar von Landschaftern fand sich zusammen, die während des Sommers gemeinschaftliche Excursionen unternahmen und die römische Campagna, die schönen Thäler und Höhen des Albaner- und Sabinergebirges mit künstlerischer Forschbegier durchstreiften. Manche poetische Stelle, die später kein Landschaftsmaler unbesucht liess, manches landschaftliche Motiv, das später traditionelle Bedeutung erhielt, wurde auf diesen Wanderungen zuerst entdeckt.

In den Landschaften, zu denen Richter auf solchen Ausflügen die Studien sammelte, hat er das heiter Anmuthige der südlichen Natur mit liebenswürdig schlichter Poesie geschildert. Nicht häufig ging er an grosse weiträumige

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Hermann Lücke: Landschaften von Ludwig Richter. Alphons Dürr, Leipzig 1875, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Richter_Landschaften.pdf/6&oldid=- (Version vom 12.12.2020)