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6. Philo nahm also zuerst das Wort und begann so: „Es ist sehr zu tadeln, daß wir uns, während wir doch bei allen unseren täglichen Verrichtungen so viele Rücksicht auf das Schöne nehmen, um die Schönheit an und für sich nicht bekümmern, sondern über dieselbe ein so müßiges Stillschweigen beobachten, als ob wir uns zu hüten hätten, daß nicht ein Wort über eine Sache uns entschlüpfe, um die wir uns doch in unserem ganzen Leben so viele Mühe geben. An welchem Gegenstande sonst könnte Derjenige seine Beredsamkeit würdig anbringen, der, während er unerheblichen Dingen sein Studium widmet, von dem Edelsten alles dessen, was ist, schweigen wollte? Und wie könnte man das Schöne des Redens auf eine schönere Art sich bewahren, als eben dadurch, daß man mit Uebergehung alles Uebrigen diesen Endzweck alles unseres Thuns zu seinem Gegenstande machte? Damit ich mir aber nicht den Schein zuziehe, als wüßte ich zwar zu sagen, was man in dieser Hinsicht zu thun habe, wäre aber nicht selbst im Stande, angemessen darüber zu sprechen, so will ich versuchen, meine Gedanken über die Schönheit so kurz als möglich vorzutragen. Die Schönheit ist ein Gut, das sich wohl Alle wünschen, dessen aber nur sehr Wenige theilhaftig wurden. Wer wirklich diese Gabe empfieng, galt von jeher für beglückter als alle Uebrigen, und genoß von den Göttern nicht minder als von den Menschen die gebührende Ehre. Beweis genug sind die zu Göttern erhobenen Heroen, Herkules, des Jupiter Sohn, die Dioskuren und Helena: Jener soll seiner Verdienste wegen dieser Ehre theilhaftig geworden seyn; Helena aber verwandelte sich um ihrer Schönheit willen selbst in

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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1841. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1841.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)