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vonnöthen haben. Oder ist etwa der Uebelstand ganz anderer Art, und der strahlende Glanz des Ruhmes, in welchen der große Demosthenes gehüllt ist, ist so stark und blendend, daß du ihm nicht ins Gesicht sehen kannst? Etwas Aehnliches ist mir selbst anfänglich mit Homer begegnet, und es hätte wenig gefehlt, so hätte ich mein Vorhaben aufgegeben, weil es mir vorkam, als wäre ich nicht im Stande, meinen Gegenstand fest im Auge zu behalten. Allmählig aber stärkte sich mein Gesicht, ich weiß selbst nicht wie, und gewöhnte sich so sehr an dieses Anschauen, daß ich nun gerade aus in diese Sonne sehen kann, ohne die Augen niederzuschlagen, und daran für einen Bastard des Homeriden-Geschlechts erkannt zu werden.

19. Und dir sollte dieß noch viel leichter werden, sollte ich denken. Denn Homer’s Ruhm, der ganz allein auf seiner dichterischen Meisterschaft beruht, mußte nothwendig auf Einmal und in seiner Ganzheit erfaßt werden. Wenn du nun freilich deine Betrachtung gleich auf den ganzen Demosthenes richtest, so kann es nicht fehlen, du irrest unschlüssig und verlegen an deinem Gegenstand herum, weißt nicht, wo du anfangen sollst, und es geht dir wie den Leckermäulern an Syrakusischen Tafeln, oder hör- und schaulustigen Leuten, wenn sie auf einmal irgend wohin kommen, wo es eine Menge Schönes zu hören und zu sehen gibt, da wissen sie nicht, wohin sie sich zuerst wenden sollen, und lassen sich bald nach Diesem, bald nach Jenem gelüsten. So, scheint es mir, springst auch du von Einem aufs Andere, und kannst zu keinem festen Haltpunkte kommen: denn das Vielerlei deines Stoffes zieht dich im Kreise herum, der großartige Geist

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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1763. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1763.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)