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seine Helden oft mitten in der Hitze der Schlacht lange Zwiegespräche halten läßt, und ihren Ungestüm mit breitem Geschwätz verschwächt.

9. Nicht selten tritt auch bei Demosthenes eine gewisse Symmetrie der Glieder, ein gefälliger Rhythmus und Sylbentanz ein, welcher den Reizen der poetischen Form sich nähert; während es dem Homer wiederum nicht an oratorischen Figuren, Gegensätzen, Gleichklängen und anderen Schönheiten fehlt, welche bald die Stärke, bald die Lieblichkeit des Ausdrucks erhöhen. So scheint es in der Natur dieser beiden Künste zu liegen, daß sie ihre Schönheiten gegenseitig austauschen. Wie sollte ich also von deiner Muse verächtlich denken, da sie mir in dieser Gestalt erscheint?

10. Nichts desto weniger schlage ich die Aufgabe, den Homer in einem Gedichte zu preisen, doppelt so hoch an, als die deinige, eine Lobschrift auf den Demosthenes zu verfassen, und dieß nicht der Verse, sondern des Gegenstandes wegen. Denn ich habe für mein Lobgedicht keine feste (geschichtliche) Grundlage: nur Homer’s Poesie selbst kann mein Stoff seyn: alles Uebrige, seine Heimath, seine Herkunft, seine Zeit, ist im Ungewissen. Wäre dieß nicht,

Dann gäb’ es keine Zweifel und kein Hadern mehr; [1]

während man ihm jetzt bald Colophon in Ionien, bald Cumä, bald Chios oder Smyrna, oder Theben in Aegypten, und Wer weiß was für andere Städte noch als Heimath anweist; und ihm zum Vater der Lydier Mäon, oder gar, in Ermanglung menschlicher Eltern, einen Flußgott [Meles], und zur


  1. Eurip. Phöniz. 456. Bothe.
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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1757. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1757.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)