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seinem Rücken gemacht wird, gar Nichts weiß, und welche dem Einen Theile, ohne den Widerspruch des Andern zu vernehmen, geglaubt wird.“ Dieser Satz mache den Gegenstand unserer Erörterung aus. Und da, wie in einem Drama, drei verschiedene Personen in’s Spiel kommen, der Verläumder, der Verläumdete, und Der, bei welchem die Verläumdung angebracht wird, so nehmen wir dieselben einzeln vor, um zu sehen, was bei jeder derselben der Fall zu seyn pflege.

7. Zuerst also lassen wir die Hauptperson, den Erdichter der verläumderischen Angabe, auftreten. Daß nun Dieser kein sittlich guter Mensch seyn kann, ist, denke ich, eine ausgemachte Sache: ein solcher wird nie seinem Nächsten absichtlich Böses zufügen, sondern sich dadurch, daß er seinen Freunden Gutes erweist, nicht aber dadurch, daß er ungerechte Beschuldigungen gegen Andere vorbringt und ihnen den Haß der Leute zuzieht, Ansehen und Wohlwollen bei Andern sich zu erwerben suchen.

8. Es ist im Gegentheile sehr leicht ersichtlich, wie ungerecht, gesetzwidrig und gottlos der Verläumder handle, und wie sehr er Denen zum Schaden sey, die mit ihm verkehren. Wenn es unbestritten ist, daß die Gerechtigkeit völlige Gleichheit erfordere, so daß Keiner vor dem Andern Etwas voraus habe, daß hingegen die Ungerechtigkeit in irgend einer Uebervortheilung des Andern bestehe; wie sollte Derjenige nicht ungerecht handeln, der gegen einen Abwesenden sich heimlich der Verläumdung bedient, da er sich ja des Zuhörers zum Nachtheil des Andern völlig bemächtigt, seine Ohren gleichsam voraus in Beschlag nimmt, und, indem er

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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1445. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1445.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)