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oder Bär verwandelt, und ihre Mährchen vom Pegasus, der Chimäre, den Gorgonen und Cyklopen, und was dergleichen ungereimte und abenteuerliche Fabeleien mehr sind, welche höchstens einigen Eindruck auf die Seelen von Kindern machen können, welche noch vor Hexen und Gespenstern[1] zittern.

3. Doch, was die Dichter thun, möchte noch hingehen: daß aber ganze Städte und Nationen öffentlich und von Staatswegen Lügen schmieden, Wer findet Dieß nicht lächerlich? wenn z. B. die Kreter das Grab Jupiter’s zu zeigen sich nicht entblöden, oder die Athener den Erichthonius aus der Erde entsprossen seyn lassen und behaupten, die ersten Menschen seyen aus dem Attischen Boden gewachsen wie die Kohlköpfe? und damit ist es ihnen noch weit mehr Ernst, als den Thebanern, wenn sie erzählen, aus den [ausgesäeten] Zähnen eines Drachen wären Männer, Sparten genannt, hervorgekeimt. Wenn nun Einer diese Sagen für das, was sie sind, für lächerliche Fabeln hält, und nach verständiger Prüfung der Meinung ist, daß es höchstens eines Coröbus und Margites[2] Sache sey, zu glauben, Triptolemus sey wirklich mit geflügelten Drachen durch die Lüfte gefahren, Pan habe sich aus Arkadien auf dem Marathonischen Schlachtfelde zur Hülfe eingestellt, Orithyia sey vom Nordwind entführt worden – so gilt ein Solcher den Leuten für unverständig und gottlos, weil er so offenkundige und unbestreitbare Thatsachen nicht glauben wolle. So groß ist die Gewalt, welche die Lüge ausübt.


  1. „Vor der Mormo und der Lamia,“ den Popanzen in den Griechischen Kinderstuben.
  2. Sprichwörtliche Namen für Pinsel und Narren.
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Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1357. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1357.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)